Der Krieg in Syrien gilt als beendet. Doch die Armut der Menschen nimmt immer gravierendere Züge an. Viele Syrer können den Alltag nicht mehr meistern und denken nur noch daran, ihre Heimat zu verlassen – gen Westen. Nachdem sich der Vatikan seit Jahren für ein Ende der Wirtschaftssanktionen gegen Syrien einsetzt, kam nun von einer Gruppe mehrerer EU-Staaten eine Annäherungsinitiative. Der letzte deutsche Botschafter in Damaskus gibt der Sache Rückenwind.
Ein menschenwürdiges Leben ist in Syrien schon lange nicht mehr möglich. Rund 90 Prozent der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Familien leben von einer einzigen Mahlzeit am Tag. Der Hunger ist allgegenwärtig. Über zwei Millionen Kinder erhalten keine Schulbildung. Wiederaufbau kann nicht stattfinden. Dabei verschärft das aktuelle Sanktionsregime von EU und USA die Not der Zivilbevölkerung wesentlich. Die allermeisten Menschen möchten daher das Land verlassen. Dabei wäre Syrien längst wieder sicher, wie auch ein vielbeachtetes Urteil des OVG Münster vom 16. Juli 2024 bestätigte. Viele syrische Flüchtlinge kehren sogar tage- oder wochenweise zurück in ihre Heimat, wie der ehemalige deutsche Botschafter in Syrien und Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Berlin, Dr. Andreas Reinicke, gegenüber der KNA äußerte.
Familien leben von einer einzigen Mahlzeit am Tag.
Acht EU-Staaten, darunter Österreich und Italien, fordern nun eine kritische Überprüfung der Sanktionen und eine Anpassung der EU-Politik an die politischen Realitäten in Syrien. Das solle auch helfen, den Migrationsdruck einzudämmen. „Syrien ist ein wichtiger Staat südlich des Mittelmeerraums, dessen Instabilität den Migrationsdruck auf Europa erhöht“, sagte Reinicke gegenüber KNA. Die jüngsten Äußerungen Reinickes, die in der „Evangelische Zeitung“ veröffentlicht wurden, stützen die Initiative der acht EU-Staaten. Auch er schätzt Syrien als weitgehend sicher ein und sieht in den Sanktionen vor allem eine Verschärfung der ohnehin schwierigen humanitären Lage.
Syrien ist ein wichtiger Staat südlich des Mittelmeerraums, dessen Instabilität den Migrationsdruck auf Europa erhöht.
„Europa hat jedes Interesse, über eine Neuorientierung seiner Politik nachzudenken“, so Reinicke, der von 2008 bis zu ihrer Schließung 2012 die deutsche Botschaft in Damaskus leitete. Die acht EU–Staaten, die nun eine Überprüfung des Syrien-Kurses anregen, vertreten aus Sicht Reinickes eine pragmatische Politik gemäß den Realitäten, insbesondere dem Flüchtlingsdruck. Die Bundesregierung sollte daher den – wenn auch schwierigen – Prozess einer Überprüfung der aktuellen Syrien–Politik durch die EU unterstützen und nicht blockieren.
Die Bundesregierung sollte daher den – wenn auch schwierigen – Prozess einer Überprüfung der aktuellen Syrien–Politik durch die EU unterstützen und nicht blockieren.
Christian Solidarity International fordert aus diesen Gründen seit langem ein Ende der Sanktionen. „Die Bundesregierung darf einer Anpassung der EU-Politik gegenüber Syrien nicht im Wege stehen. Denn die Sanktionen verhindern den Wiederaufbau des Landes und nehmen der Bevölkerung jede Hoffnung auf eine menschenwürdige Zukunft“, kommentiert daher der Geschäftsführer von CSI-Deutschland, Peter Fuchs.