Islamistischer Anschlag in Solingen – Deutschlands Syrienpolitik muss sich ändern

Ein Kommentar

Das Messer-Attentat vom 23. August mit drei Toten und mehreren Verletzten auf dem „Festival der Vielfalt“ zum 650-Jahre-Jubiläum von Solingen hat die deutsche Gesellschaft ins Mark getroffen. Ein 26-jähriger Migrant aus Syrien gilt als mutmaßlicher Täter. Der Mann reiste 2022 über Bulgarien in die EU ein, kam nach Deutschland, sollte nach Bulgarien abgeschoben werden, tauchte unter, erhielt subsidiären Schutz und wohnte schließlich in Solingen, wo er mutmaßlich drei Menschen ermordete.

Die politischen Reaktionen auf die islamistischen Messer-Morde von Solingen offenbaren die Hilflosigkeit deutscher Politiker in Bezug auf wiederkehrende Gewaltakte aus migrantischen Kreisen.

Dabei weigert sich die Bundesregierung standhaft, die Realitäten in Syrien anzuerkennen. Zuletzt hat ein akribisch begründetes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 16. Juli illustriert, wie ideologisch getrieben und realitätsfern die deutsche Syrienpolitik wirklich ist. Entgegen der Lageberichte des Auswärtigen Amtes stellte das Gericht fest, dass in Syrien für Zivilpersonen derzeit keine Bedrohung ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines Bürgerkriegs besteht.

Der Bürgerkrieg ist beendet

Wer heute nach Syrien reist, kann mit eigenen Augen sehen, dass Tausende seit 2011 nach Australien, Kanada oder Europa ausgewanderte Syrer derzeit ihren Urlaub in der alten Heimat verbringen, dort Verwandte besuchen und sich um ihre Häuser und Wohnungen kümmern. Der syrische Bürgerkrieg ist beendet.

Wen man zum einen die Hilfsbereitschaft der deutschen Gesellschaft nicht länger überreizen und zum anderen die anhaltende Entwurzelung der Menschen aus Syrien stoppen will, dann muss man sich den politischen Realitäten stellen und endlich mit großer Ernsthaftigkeit an die Beseitigung von Fluchtursachen gehen.

Und gerade hier zeigt sich die Realitätsferne der Syrienpolitik Deutschlands ganz deutlich. Obwohl anerkannte Vertreter der syrischen Zivilgesellschaft, internationale NGOs und UN-Institutionen seit vielen Jahren unermüdlich darauf hinweisen, dass die umfassenden Wirtschaftssanktionen von USA und EU direkt zu einer radikalen Verelendung der syrischen Zivilgesellschaft beitragen – 90 Prozent der syrischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze –, sieht die deutsche Außenministerin Baerbock kein Problem bei den gegen Syrien gerichteten Wirtschaftssanktionen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion forderte vor einigen Monaten mit einem Antrag im Bundestag, den Sanktionsdruck auf Damaskus sogar noch zu erhöhen.

972.000 Syrer lebten 2023 in Deutschland

Unabhängige Syrienkenner sind sich dagegen einig, dass die auf Syrien lastenden drakonischen Wirtschaftssanktion von USA und EU den Wiederaufbau in Syrien verhindern und jeden Aufschwung der syrischen Wirtschaft im Keim ersticken. Die von den Sanktionen verursachte wirtschaftliche Perspektivlosigkeit feuert die Abwanderung aus Syrien weiter an. Die mit Abstand meisten Menschen, die 2023 in Deutschland einen Antrag auf Asyl gestellt haben, kamen aus Syrien, nämlich 102.930. Damit lebten Ende 2023 rund 972.000 Syrer in Deutschland!

Wer nun meint, der anhaltende Migrationsstrom aus Syrien nach Deutschland sei ein unerwünschtes Nebenprodukt von Krieg und extremer Armut, der sollte die Ziele der US-amerikanischen Außenpolitik nicht aus den Augen verlieren. So deckte ein brisanter Artikel der Washington Post vom 26. Juli 2024 in Bezug auf die seit 2015 stetig verschärfte US-Sanktionspolitik gegenüber Venezuela auf, dass die Trump-Administration den von US-Sanktionen verursachten Migrationsdruck auf die Menschen in Venezuela direkt anstrebte. US-Finanzminister Steven Mnuchin habe im Jahr 2019 Trumps Sicherheitsberater John Bolton vor Kollateralschäden durch verschärfte Wirtschaftssanktionen gewarnt. „Es bestand kein Zweifel, dass die Sanktionen zusammen mit der allgemeinen wirtschaftlichen Verschlechterung, bevor wir sie verhängten, viele Menschen aus dem Land trieben“, so Bolton. „… Das war für mich eine Möglichkeit, Druck auf das Land auszuüben.“

Sanktionen müssen aufgehoben werden

Nach den Enthüllungen der Washington Post zur Strategie der Trump-Administration gegenüber Venezuela muss davon ausgegangen werden, dass jene von Bolton beschriebene, in Venezuela bereits erfolgreich angewandte Taktik, von den USA mit dem seit Juni 2020 geltenden Caesar-Act in Syrien fortgeschrieben wird. Die Massenauswanderung aus Syrien ist von Washington direkt gewollt, um die Regierung von Bashar al-Assad gezielt unter Druck zu setzen.

Deutschland und die EU müssen zum Wohl ihrer Bürger und zum Wohl der notleidenden Menschen in Syrien ihre Wirtschaftssanktion gegen Syrien aufheben. Nur so kann die syrische Wirtschaft gestärkt, Armut beseitigt und die massenhafte Migration nach Europa nachhaltig beendet werden.

Die Bundesregierung sollte ihren Einfluss innerhalb der G7 und der NATO nutzen, um die USA zur Aufhebung der völkerrechtswidrigen Wirtschaftssanktionen gegen Syrien zu drängen.