Zum mehrtägigen Kongress «Christenverfolgung heute» waren namhafte Referenten und Zeugen aus verschiedensten Ländern der Welt eingeladen. Sie berichteten teils sehr persönlich über ihre Erlebnisse. Ein Team von CSI war mit eigenem Stand vor Ort und konnte viele wertvolle Gespräche mit anderen Besuchern führen.
Der Kongress in Schwäbisch Gmünd (D) war mit seinen über 500 Gästen völlig ausgebucht. Während vier Tagen sprachen die Referenten aus Westeuropa und den betroffenen Ländern aus ihrer persönlichen Sicht über die Situation und Projektarbeit vor Ort.
Dank dem Informations-Stand, den CSI zum zweiten Mal gebucht hatte, konnten die drei anwesenden Mitarbeiter, Geschäftsführer Benjamin Doberstein, Corinne Germann und Reto Baliarda mit vielen engagierten Besuchern ins Gespräch kommen und neue Kontakte knüpfen. Die zahlreichen Kongress-Besucher zeigten sich sehr interessiert an der Arbeit von CSI vor Ort und unserem politischen Einsatz, um die Not der Christen ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
«Wie lange schaut Europa noch zu?»
Dass die weltweite Christenverfolgung dringend ein öffentliches Thema sein muss, machte Kardinal Kurt Koch unmissverständlich klar. «80 % der Glaubensverfolgten von heute sind Christen. Dass diese schreckliche Realität in den Medien verschwiegen wird, ist ein Skandal!» Dieses Wegschauen, so Koch weiter, widerspiegle das «abendländische Selbsthassklischee», in dem Christen als verfolgte Opfer keinen Platz hätten. Und dass selbst die Christen ihre Stimme für die Verfolgten nicht erheben, sei einfach nur schlimm.
Koch betonte ferner: «Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatten viele gedacht, dass die Christenverfolgung nun der Vergangenheit angehören werde. Doch diese Annahme hat sich als Trugschluss erwiesen. Nicht zuletzt wegen des Islamischen Staats, dieser satanischen Organisation, haben wir heute mehr Märtyrer als zu den Anfangszeiten der Christen.» Auch mit den Politikern ging Kardinal Koch hart ins Gericht: «Wie lange will die europäische Politik noch zusehen, wie Christen in Syrien und im Irak verfolgt, Jesiden wie Schlachtvieh hingerichtet und Kulturgüter zerstört werden?»
Koch erinnerte aber auch daran, dass die Verfolgung zum Christentum gehöre und eine frohe Botschaft beinhalte: «Unser Martyrium besiegt die Macht des Todes und vereint die Christen ökumenisch.»
Kauder: «Auf Muslime zugehen»
Einen Aufruf zu Mut und Hoffnung enthielt auch das Referat von Volker Kauder, CDU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Der IS verfolge die gemeine Strategie, die Muslime in Europa gegen die Christen aufzuhetzen. «Deshalb ist es wichtig, dass wir auf die friedliebenden Muslime zugehen. Wenn nämlich Andersgläubige erkennen, dass ich Christen auch für die einsetzen, so hat dies Überzeugungskraft.»
Syrien: Selbst in Flüchtlingslagern nicht sicher
Ein düsteres Bild für die Zukunft der Christen in Syrien malte der Chirurg Dr. Jany Haddad aus Aleppo. Abertausende Christen seien von Islamisten aus der Stadt vertrieben worden. Haddads Vertrauen in die Muslime von Aleppo ist verschwunden: «Viele muslimische Ärzte, mit denen ich früher zusammengearbeitet habe, hassen uns jetzt.» Auf viel frequentierten Plätzen Aleppos seien Christen gekreuzigt worden. Selbst in den Flüchtlingslagern seien sie sich ihres Lebens nicht sicher. Den v.a. im Westen heftig umstrittenen syrischen Machthaber Baschar el-Assad bezeichnete Haddad als Beschützer der Christen.
Pater Douglas: „Kein Christ beklagt sich»
Bedrückendes schilderte auch Pater Douglas al-Bazi, der selbst von Bagdad nach Erbil in Kurdistan fliehen musste. «Ein Leben ohne Krieg kenne ich schon lange nicht mehr. 2003 lebten im Irak noch 2 Millionen Christen, heute gibt es noch ungefähr 200‘000. Tausende Christen wurden in dieser Zeit getötet.» Douglas selbst war zwei Mal einem Attentat entkommen und wurde während neun Tage unter schwerster Folter von islamistischen Dschihadisten festgehalten, darunter vier Tage ohne Wasser. «Wir irakische Christen sind gut ausgebildet. Deshalb verfolgen sie uns. Als Christ im Irak zu leben, bedeutet ein Himmelfahrtskommando», sprach Douglas deutliche Worte. Dass viele Christen in Mossul nach 30 Jahren Nachbarschaft mit sunnitischen Muslimen von einem Tag auf den anderen von eben diesen verfolgt wurden, sei ein schlimmer Vertrauensbruch.
Nicht verloren hat Douglas sein Lachen und sein Vertrauen in Gott: «Von all den Christen, die ich in Erbil getroffen habe, beklagt sich kein Einziger bei Gott.» Für seine vorbildliche und starke Jugendarbeit in Erbil erhielt Pater Douglas viel Lob und Anerkennung.
«Kurden sorgen für Stabilität»
Der alewitische Kurde Yekta Kus bezeichnet sein 45-Millionen-Volk als Schutz für die Minderheiten im Nahen Osten. «Religionsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Einhaltung der Menschenrechte sind wichtige Prinzipien von uns Kurden.» Er fügte an, dass die Kurden die Gewalt ablehnen würden, jedoch ebenso bereit seien, sich zu wehren. Dies zeige sich gegenwärtig im Kampf gegen den Islamischen Staat, bei dem die Kurden die Einzigen seien, die effektiv Gegenwehr leisten würden.
Zwischen den Christen und den Kurden, so Kus, bestehe seit Jahrtausenden eine enge Verbindung. Überdies hätten die Kurden schon früh Widerstand gegen die Islamisierung geleistet. Auch weil sie heute die Christen im Nahen Osten schützen würden, seien sie bei den Islamisten verhasst. Zudem würden weder die Türken noch die Araber in kurdisches Gebiet ziehen. 95% der Bewohner Kurdistans sind aus diesem Grund Einheimische. Im irakischen Kurdistan, wohin zehntausende von Christen geflohen sind, sei es ohne Weiteres möglich, Kirchen zu bauen. Schliesslich hofft Kus, dass sein Volk ein eigenes Land erhält: «Ein kurdischer Staat würde für Stabilität im Nahen Osten sorgen», ist er überzeugt.
Indien: Christ trotz Nachteile
Zeichen der Hoffnung sieht Dr. K.R. Singh für die Christen in Indien. Nach seinen Angaben sind 2,3% aller Inder Christen, in den Bundesstaaten Odisha und Jharkhand, in denen CSI tätig ist, sind zwischen 5 und 20% aller Bewohner Christen. Überdurchschnittlich viele Christen gehören der untersten Kaste, den Dalits an. Denn «9% aller Christen sind Dalits.» Die meisten Dalit-Christen würden ihren Glauben jedoch geheim halten, da sie sonst keine staatliche Unterstützung mehr erhalten. «Dennoch kommen viele Dalits zum christlichen Glauben, weil sie unter Christen nicht als Unberührbare ausgestossen werden», bemerkt Singh. Und trotz der hohen administrativen Hürden, die die Regierung den Christen z.B. beim Bau von Kirchen und Friedhöfen auferlegen, sollen und können Christen im Land Bildung und wirtschaftliche Hilfe anbieten.
Nigeria: Metalldetektoren auch für Pastoren
Vor über 30 Jahren kam Pater Qadri* (Name geändert) aus Nigeria zum christlichen Glauben. Dass die islamistische Terrorgruppe Boko Haram selbst in seiner Familie aktiv sei, schilderte der ehemalige Muslim durch ein trauriges Beispiel. Einer seiner Neffen hatte eine Bombe in sein Dorf geschmuggelt. «Als er am Kontrollposten vom Militär gestoppt wurde, zündete er die Bombe und riss zwei Soldaten mit in den Tod.» In Nigeria, so Qadri, würden keine grösseren Anlässe ohne Polizei stattfinden. «Sogar die Pastoren werden am Kircheneingang durch Metalldetektoren kontrolliert», betont er. Denn auch schon hätten sich Boko Haram-Dschihadisten in einem Priestergewand Zugang zu einer Kirche verschafft.
Pater Qadri, der letztes Jahr ganz knapp einem Anschlag entkam, hat von Gott die Vision erhalten, alle Bibeln zu ersetzen, die Boko Haram zerstört hat. Diese Vision verfolgt er zur Freude vieler leidenden Christen mit eiserner Disziplin und ohne Kompromisse.
Gobran: «Gott macht Unmögliches möglich»
Viel Hoffnung und einen unerschütterlichen Glauben strahlte die Ägypterin Maggie Gobran aus. Die koptische Ordensschwester und Gründerin der Organisation «Stephen’s Children» unterstützt mit ihrem Werk 30‘000 Kinder in Kairo. Ihre scheinbar grenzenlose Kraft zu helfen schöpft sie aus ihrem Glauben, der bei all dem Leid wie ein Fels in der Brandung steht. «Je härter die Zeiten für uns Kopten in Ägypten sind, desto mehr wächst unsere Kirche. Unser Gott macht Unmögliches möglich», versicherte Maggie Gobran, die 2012 für den Friedensnobelpreis nominiert worden war.
Selbst der schreckliche Vorfall in Libyen vom Februar 2015, bei dem 21 koptische Gastarbeitern durch IS-Terroristen geköpft wurden, bringt Gobran keine Sekunde von ihrem Glauben ab. Im Gegenteil: Sie kannte diese Männer und zeigt den erstaunten Besuchern, wie diese kurz vor Ihrer Hinrichtung den Kopf erhoben und den Namen «Jesus» aussprachen. «Wenn die ganze Welt aus den Fugen gerät, du aber Frieden in deinem Herzen hast, so kann dir nichts geschehen», so eine überzeugte Maggie Gobran.
Reto Baliarda