Bei den ersten Wahlen nach langjähriger Diktatur siegten gemäßigte über islamistische Politiker.
Im März 2012 riefen wir zum Protest auf an den damaligen Vorsitzenden des Übergangsrats, Mustafa Abdul Dschalil, der sich für die Einführung der Scharia ausgesprochen hatte. (Er trat nach den Wahlen zurück.) Nachdem die Islamisten in Ägypten, Tunesien und Marokko als Sieger aus den Wahlen hervorgegangen waren, befürchteten wir auch in Libyen einen Sieg der Islamisten, der zur Gründung eines islamistischen Gottesstaates hätte führen können.
Wir sind erleichtert, dass sich die schlimmen Vorahnungen nicht erfüllten. Von 80 Sitzen fielen nur 17 an die extremistische Islamische Bruderschaft, 39 Sitze gingen an Parteien, die eine liberale, säkular orientierte demokratische Ordnung vertreten. Trotz ausgeprägter Stammesrivalitäten und mangelnder Erfahrung in politischen Prozessen (nach über 40 Jahren unter Ghadaffi), verlief Libyens Urnengang ruhig. Die Wahlbeteiligung war mit 62 Prozent überdurchschnittlich hoch.
Die Hürden zur funktionierenden Demokratie sind natürlich nicht überwunden. Neben 80 Parteivertretern wurden 120 unabhängige Abgeordnete gewählt, deren Profil bestenfalls umrisshaft erkennbar ist. Indessen haben die Libyer mit dem besonnenen Wahlgang ein Zeichen für eine hoffnungsvollere Zukunft gesetzt.
Autor: Max-Peter Stüssi
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