In den letzten Monaten erfasste eine Repressionswelle die Christen unter den Bergvölkern (Montagnards) Zentralvietnams. Montagnard-Flüchtlingen droht die Zwangsrückführung.
Die kommunistische Regierung Vietnams geht seit fast drei Jahren noch repressiver gegen die Christen unter den Montagnards, den Völkern der entlegenen zentralen Hochlandregionen, vor. Sie dürfen sich lediglich in Gebäuden staatlich anerkannter Gemeinden zum Gebet oder zum Gottesdienst versammeln. Dort werden die Gläubigen vom Regime stark kontrolliert: Predigten, ja sämtliche religiöse Aktivitäten, müssen im Voraus genehmigt werden.
Bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen
Wer sich trotzdem in Hauskreisen oder im Freien versammelt, muss mit der gewaltsamen Auflösung dieser Treffen rechnen. Sicherheitsbeamte laden deren Organisatoren «zur Zusammenarbeit» vor. Dann werden diese Christen schwer gefoltert oder sogar zum Verschwinden gebracht.
So klagte ein Christ im Juni 2015 gegenüber Human Rights Watch: «Sie (die Sicherheitskräfte) versetzten mir sogar Elektroschocks, um Aussagen abzupressen. Sie schlugen mich, bis ich das Bewusstsein verlor. Später drohten sie mir mit der erneuten Festnahme, falls ich weiterhin zur Kirche ginge.» Dieser Christ ist inzwischen aus Vietnam geflüchtet.
Neben den Repressalien verfolgen die kommunistischen Dorfbehörden ein gezieltes Programm, um Christen zum Glaubenswechsel zu bewegen. Es werden zwangsweise Veranstaltungen abgehalten, die die Menschen dazu veranlassen sollen, zu ihren alten Riten und Gebräuchen, Ahnenkulten und ähnlichem zurückzukehren.
Weshalb schwere Unterdrückung?
Wegen ihrer Angst um den Weiterbestand des eigenen kommunistischen Machtmonopols ist Vietnams Behörden das starke Anwachsen des Christentums unter den Montagnards ein Dorn im Auge: Von rund einer Million Montagnards sind heute die Hälfte evangelisch, weitere 200’000 katholisch und lediglich noch 300’000 Buddhisten oder Animisten.
Das Regime befürchtet ausserdem die Weiterverbreitung westlichen Gedankenguts, waren doch viele Montagnards während der Kriege im französischen Indochina (1946-54) und in Vietnam (1964-75) Kampfgenossen der von Frankreich und später den USA gestützten Regime gegen die schliesslich siegreichen Kommunisten. Sie gelten damit traditionell als potenzielle Freunde des Westens und als Einfallstor für den Einfluss westlicher Mächte.
So sind Vietnams kommunistische Behörden denn auch streng darauf bedacht, Kontakte zwischen Ausländern und den Montagnards zu unterbinden.
Max-Peter Stüssi
UNO-Sonderberichterstatter zur Lage
Heiner Bielefeldt, UNO-Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit, berichtet nach einer Erkundungsreise ins zentralvietnamesische Hochland im Juli 2014: «Die strenge Kontrolle, welche die Regierung auf Religionsgemeinschaften ausübt, bedeutet, dass die Autonomie und Tätigkeit staatlich nicht anerkannter Glaubens- und Religionsgemeinschaften bedroht sind. Damit wird das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit schwerwiegend verletzt.» Wegen der Festnahme einiger religiöser Dissidenten musste Bielefeldt seine damalige Hochland-Reise schlielich abbrechen, um möglichen weiteren Festnahmen vorzubeugen.
Montagnard-Flüchtlinge ausgewiesen
Im ersten Halbjahr 2015 wurden mindestens 54 Montagnard-Flüchtlinge, die sich im Dschungel der kambodschanischen Grenzprovinz Ratanakiri versteckt hatten, von Kambodschas Behörden nach Vietnam zwangsdeportiert. Über Hundert Asylsuchenden in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh droht ebenfalls die Zwangsrückführung. Zwischenstaatliche Abkommen mit Vietnam wie insbesondere die am 16. Januar 2015 getroffene Vereinbarung zwischen Kambodschas Innenminister und Vietnams Minister für öffentliche Sicherheit sehen die Rückführung von Montagnard-Flüchtlingen gegen finanziellen Entgelt vor. Für die Durchsetzung sorgen seit Ende April 2015 gegen tausend kambodschanische Grenzwächter.