Die Blasphemie-Gesetze drohen jedem mit dem Strang, dem Lästerung des Propheten Mohammed nachgesagt wird. Die Feldarbeiterin Asia Bibi wurde zum prominentesten Opfer dieser Gesetze.
Update vom November 2014: Das Obergericht von Lahore hat das Todesurteil gegen Asis Bibi am 16. Oktober 2014 unter dem Druck der Islamisten bestätigt. Ihr Fall kommt nun vor das Höchste Gericht in Islamabad.
Tod durch den Strang – am 8. November 2010 wurde Asias Hoffnung auf Gerechtigkeit enttäuscht: Am Ende eines unsinnigen Prozesses stand nicht der Freispruch, sondern das Todesurteil – weil sie die Frage gestellt hatte, was denn Mohammed, der Prophet des Islam, für die Menschheit getan habe.
Asia Bibi ist Ehefrau, fünffache Mutter, Feldarbeiterin – und Christin, und als solche hatte sie Feinde unter ihren Arbeitskolleginnen. Sie wurde der Blasphemie angeklagt und zum Tod verurteilt. Hohe Politiker besuchten sie im Gefängnis, ein islamistischer Geistlicher setzte ein hohes Kopfgeld auf sie aus, eine französische Journalistin schrieb ein ergreifendes Buch über sie.
Dies alles trug dazu bei, dass ihr Schicksal breit bekannt wurde und weltweit Empörung auslöste. «Ich, ein armes Mädchen vom Land, bin gegen meinen Willen zur Staatsaffäre geworden. Ich, Asia Bibi, bin von jetzt an das Symbol des Blasphemie-Gesetzes und kann nichts dagegen tun», schreibt sie.
Der Todes-Paragraf
Was genau besagt eigentlich dieses Blasphemie-Gesetz? Während sich die ersten Sätze des Abschnitts «Über die Verletzung von Religion» aus dem pakistanischen Strafgesetzbuch noch auf alle Religionen beziehen, dient
Artikel 295c dem Schutz des islamischen Glaubens: «Wer durch Worte, gesprochene oder geschriebene, durch bildhafte Darstellungen oder irgendwelche Behauptungen, implizite Äußerungen oder Seitenhiebe, direkt oder indirekt, den heiligen Namen des Heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit Ihm) entweiht, wird mit dem Tod oder lebenslanger Haft bestraft und kann zudem zu einer Buße verpflichtet werden.»
Dieser Artikel ist in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Instrument geworden, um unliebsame Personen aus dem Weg zu räumen. Die Anklagen sind oft willkürlich und haltlos. Manchmal geht es bloß um Nachbarschaftsstreitigkeiten. Der Auslöser an sich kann eine Kleinigkeit sein: Asia Bibi hatte während der Feldarbeit aus einem Becher getrunken und wollte ihn ihren muslimischen Kolleginnen weiterreichen. Eine von ihnen hielt ihn jetzt jedoch für unrein; da eine Christin daraus getrunken habe, dürften sie das nicht mehr tun. In dem Wortwechsel stellte Asia Bibi die verhängnisvolle Frage, die zu ihrer Verurteilung führte: «Was hat denn euer Prophet Mohammed getan, um die Menschen zu retten?»
Mehr als 1000 vor Gericht
Seit der Einführung der Blasphemie-Gesetze in den 80er Jahren standen mehr als 1000 Personen wegen Blasphemie vor Gericht – nicht gezählt sind hier die vielen Fälle, die gar nicht erst vor Gericht kamen. Die Angeklagten kommen aus allen Religionen: Muslime sind ebenso betroffen wie Christen, Ahmadis und Hindus – die religiösen Minderheiten des Landes sind aber überproportional betroffen. Während sie knapp 5 % der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind 25 % der Angeklagten Christen oder Hindus.
Zwar wurde bisher kein Todesurteil wegen Blasphemie vollstreckt; 17 Angeklagte wurden jedoch zum Tod verurteilt, 20 weitere büßen eine lebenslange Haftstrafe ab.
Auch im letzten Jahr kam es wieder zu zahlreichen Blasphemie-Anklagen. Einmal hatte jemand angeblich eine blasphemische SMS verschickt, ein anderes Mal soll ein Koran verbrannt worden sein – und die Geschichten wiederholen sich.
Lynchjustiz
Wenn der Staat angebliche Blasphemie-Vergehen nicht selbst ahndet, dann finden sich genügend selbsternannte Richter, die zu allem bereit sind. Mehr als 50 Angeklagte wurden ermordet, manche von ihnen selbst nach einem Freispruch. Es kommt immer wieder vor, dass die ganze Familie oder sogar das ganze Dorf für die angebliche Blasphemie büßen müssen. Im März 2013 wurde ein ganzes Stadtviertel, die christliche Joseph Colony in Lahore, angegriffen und niedergebrannt, nachdem Gerüchte über blasphemische Äußerungen eines Bewohners verbreitet worden waren. Etwa 150 Familien verloren ihr Zuhause. In Gujranwala und Multan kam es zu ähnlichen Anschlägen.
Auf verlorenem Posten
Wer sich gegen die Blasphemie-Gesetze äußert oder sich öffentlich auf die Seite von Asia Bibi und anderen Opfern dieses Gesetzes stellt, steht nicht nur auf verlorenem Posten – er macht sich selbst zur Zielscheibe. Davon sind auch hochrangige Politiker nicht ausgenommen: Salman Taseer, muslimischer Gouverneur der bevölkerungsreichsten Provinz Punjab, wurde am 4. Januar 2011 von seinem Leibwächter Malik Qadri erschoßen. Taseer hatte Asia Bibi im Gefängnis besucht und sich öffentlich für ihre Freilassung eingesetzt. Mutig kämpfte er gegen die Blasphemie-Gesetze. Auf Twitter hatte er noch wenige Tage vor seinem Tod geschrieben: «Ich wurde massiv dazu genötigt, mich dem Druck bezüglich der Blasphemie zu beugen. Weigerte mich. Selbst wenn ich der letzte wäre, der noch übrig ist.»
«Salman Taseer ist ein Gotteslästerer», sagte sein Mörder in einem Interview, «und dies ist die Strafe.» Er wurde von Islamisten wie ein Held gefeiert.
Zwei Monate später wurde Shahbaz Bhatti, Minister für Minderheiten und selbst Christ, ermordet. Er hatte Asia Bibi gleich nach der Verkündigung des Todesurteils besucht, ihr Unterstützung zugesagt und ihrer Familie geholfen. Asias Mann Ashiq und die Kinder durften sogar eine Zeitlang bei Bhatti wohnen, als sie aus ihrem Heimatdorf fliehen mussten. Bhatti setzte sich nachdrücklich für eine Reform der Blasphemie-Gesetze ein. Sein Tod jährt sich in diesen Tagen zum dritten Mal: Am 2. März 2011 wurde Bhatti auf dem Weg zur Arbeit erschossen. Wie bei Taseer war das die Strafe für sein Engagement, das ihm als Blasphemie ausgelegt wurde: «Dieser Mann war ein bekannter Lästerer des Propheten», sagte Ahnanullah Ahsan, ein Sprecher der radikal-islamistischen Tehrik-i-Taliban, die sich zu dem Mordanschlag bekannte.
«Ich möchte Gott vertrauen»
Asia Bibi erfuhr in der Todeszelle vom gewaltsamen Tod ihrer Fürsprecher. Man kann sich vorstellen, wie vernichtend diese Nachrichten auf sie wirkten – und auf alle, die auf das Engagement von Taseer und Bhatti zählten: In Pakistan werden heute kaum noch Stimmen laut, die Asias Freilassung fordern. Sie verbrachte Weihnachten das fünfte Mal im Gefängnis. In einem Brief wandte sie sich an Papst Franziskus: «Ich hoffe, dass jeder Christ mit Freude Weihnachten feiern konnte. Wie viele andere Gefangene habe auch ich die Geburt unseres Herrn hier im Gefängnis in Multan, Pakistan, gefeiert.» Obwohl sie nicht wisse, wie lange sie noch durchhalten könne, machten ihr die vielen Gebete aus aller Welt Mut. Vielleicht könne sie das nächste Weihnachtsfest mit dem Papst im Petersdom feiern. «Jetzt möchte ich einfach der Gnade Gottes vertrauen, der alles tun kann. Nur Gott kann mich befreien.»
Autoren: Luise Fast | Max-Peter Stüssi
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Asia Bibi
Central Jail Multan Multan City-Punjab Pakistan
Gerne können Sie Bibelverse schreiben, zum Beispiel Johannes 16,22; Johannes 6,35; Jesaja 12,2 oder Matthäus 11,28. Schreiben Sie nach Möglichkeit englisch. Bitte erwähnen Sie C nicht und schreiben Sie auch keinen Absender auf die Karte. Vermeiden Sie Kritik an der pakistanischen Regierung oder am Islam.
Beispieltext
We are Christians from Switzerland and have heard about you case. You are not alone in your plight. We are praying for you and your family. Isaiah 12:2: «Surely God is my salvation, I w trust and not be afraid. The Lord himself is my strength and m defense.» May God bless you and protect you.
Wir sind Christen aus der Schweiz und haben von Ihrem Fall gehört. Sie sind in Ihrer Not nicht alleine. Wir beten für Sie un Ihre Familie. Jesaja 12,2: «Gott ist mein Heil, ich will vertraue und habe keine Angst. Der Herr ist meine Kraft und meine Rettung.» Gott segne und beschütze Sie.
Buch über Asia Bibi
Christin kämpft gegen ihre Hinrichtung
Asia Bibi mit Anne-Isabelle Tollet Rettet mich! Eine pakistanische
192 Seiten | 2013
«8. November 2010. Nach fünf Minuten Beratung fällt das Urteil: Asia Bibi wird, als erste Frau in Pakistan, zur Todesstrafe durch Erhängen verurteilt. Zudem muss sie eine Buße von 300 000 Rupien bezahlen. Das Vergehen: Asia hat aus einem Brunnen Wasser getrunken, welcher muslimischen Frauen gehört. Dazu hat sie den Becher der Musliminnen benutzt, dies bei einer Hitze von 40 Grad. Unter unvorstellbaren Bedingungen gehen Monate und Jahre im Gefängnis vorbei, die die Mutter von fünf Töchtern in Isolationshaft verbringt. Um nicht wahnsinnig zu werden, klammert sie sich an den einzigen, großen Gott, der ihr immer wieder Hoffnung gibt und sie stärkt. Im Gefängnis hat sie gelernt, sich nicht auf Menschen zu verlassen, denn die Personen, welche sich für sie eingesetzt haben (Gouverneur und Minister) wurden kaltblütig ermordet.
Mit diesem Buch schreit Asia Bibi ihre durchlebte Not in die Welt hinaus. Verständlich, dass sie sich an uns richtet und Hilfe fordert. Der Papst, Hillary Clinton, Fernsehsendungen, Unterschriften aus der ganzen Welt, Gebet nichts hat sie bis heute befreien können. Die untergetauchte Familie ist in Gefahr. In Pakistan gehen Zigtausende auf die Straße, damit sie erhängt wird. Asia lebt zwischen Hoffnung und Selbstmordgedanken. Nehmen wir den Auftrag wahr, den sie an uns richtet: ‹Ich brauche Sie, retten Sie mich!›?»
CSI-Leserin Esther Heiniger