Am 22. September 2013 verübten zwei Selbstmordattentäter einen Anschlag auf die Gottesdienstbesucher der Allerheiligen-Kirche in Peschawar. Sie rissen 126 Menschen mit in den Tod, andere wurden schwer verletzt. Projektleiter Gunnar Wiebalck hat die Trauernden besucht.
Jesus hat die Frage, wer unser Nächster sei, wie folgt beantwortet: Ein Mensch fiel unter die Räuber und blieb halbtot liegen. Ein barmherziger Mann aus Samarien richtete ihn wieder auf, nachdem zwei andere achtlos vorbeigegangen waren. Jesu Aufforderung, ebenso wie der Samariter zu handeln, ist der Kerngehalt der Arbeit von CSI.
126 Christen getötet
Als wir von dem verheerenden Attentat auf die Allerheiligen-Kirche in der pakistanischen Stadt Peschawar hörten, bei dem am 22. September 2013 126 Gottesdienstbesucher getötet wurden, war klar: Wir müssen hingehen und versuchen, zu helfen. Aus Sicherheitsgründen hatten mich meine Begleiter in ein einheimisches Gewand gekleidet. Am 10. Oktober 2013 standen wir im Hof vor der Kirche. Hier waren 18 Tage zuvor mehr als 100 Familien zu einem Picknick versammelt. Große Schalen mit Reis, Gemüse und Fladenbrot machten die Runde, als sich das fröhliche Bild mit einem Schlag in ein Inferno verwandelte. Zwei Attentäter hatten ihre Sprengwesten mitten in der friedlichen Menschenmenge gezündet. Der teuflische Plan der Bombenkonstrukteure ging auf: Sie wollten nicht das massive Kirchengebäude zerstören, sondern mit in den Sprengstoff gepackten Kugellagern «weiche Ziele» zerfetzen – die Körper von Menschen.
Verletzt, verwaist, verwitwet
Es folgten erschütternde Begegnungen mit den Überlebenden der vielen zerstörten Familien: Der kleine Shan, der mich durch seine starken Brillengläser stumm anblickte, hat seine Eltern und zwei Schwestern verloren. Jemand zeigt mir auf seinem Handy ein Bild von Shans Bruder Sam, der mit schweren Unterleibsverletzungen im Spital liegt. Die Eltern Musa und Ruth, deren bildhübsche Tochter Mariam ums Leben kam. Die Großmutter
Mumtaz mit ihrer Enkelin Angel. Die Mutter von Angel ist tot, ihre beiden Schwestern Jamina (4) und Darusg (2) auch, der Vater liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Hanif und seine Frau Josefine haben ein Bild ihres Sohns Sharoon mitgebracht. Sie berichten, daß der 18-Jährige noch versucht hatte, einen der Attentäter am Zünden der Sprengladung zu hindern. Sumera und ihre Schwester Sabia kamen verschleiert, sie verloren ihre Mutter Janila und ihre Schwester Sanja. Nazir, den Vater der beiden jungen Frauen, trafen wir später am Krankenbett. Metallsplitter hatten ihm den Rücken zerfetzt, der Patient war kaum ansprechbar.
Die schlimmsten Wunden schließen
Ich bin Christ, ich glaube an Gottes Verheißungen und Erbarmen und weiß um die Kraft der Vergebung. Und doch: Bei der Konfrontation mit solchen Schicksalen hatte ich Mühe, eine im Inneren aufkochende Wut zu unterdrücken. Eine Wut auf Ungeheuer in Menschengestalt, die ihr eigenes Leben fortwerfen und anderen unfassbares, satanisches Unrecht zufügen. Die schweren Verletzungen zerreißen einem das Herz.
Viele sind auf teure Operationen angewiesen. CSI hat deshalb eine Soforthilfe von 120 000 Franken zur Verfügung gestellt. Ein Teil davon wurde in meinem Beisein sofort übergeben, der Rest wird von kirchlichen Kontaktpersonen direkt an die Opferfamilien verteilt. Viele werden noch auf Jahre hinaus an den Folgen der Anschläge leiden. Wir wollen auch in den kommenden Wochen und Monaten mithelfen, wenigstens die schlimmsten Wunden zu schließen.
Autor: Projektleiter Gunnar Wiebalck