Freiheit für Abuk

Abuk ist eine von über 1900 Versklavten, die wir im Jahr
2013 befreien konnten. Auf jeder Reise erzählen uns Menschen wie sie genauer, was sie durchlebt haben. Abuk Ayok ist neben dem inneren Schmerz auch körperlich für ihr ganzes Leben gezeichnet. «Ich fühle mich nutzlos», sagt sie.

Da sitzen sie im Schatten eines großen Baumes: 175 ehemalige Sklavinnen und Sklaven, Männer und Frauen getrennt. Während die Frauen ganz bunt gekleidet sind, tragen die meisten Männer Weiß – so weiß, wie es nach einem mehrtägigen Marsch noch möglich ist: Die große Gruppe war vor wenigen Tagen heimlich zu Fuß vom Sudan in den Südsudan zurückgekehrt. Unter ihnen sind viele Teenager, zahlreiche Frauen tragen ein Baby auf dem Arm. Sie haben es geschafft.

«Gott hat euch nicht vergessen»

«Das wird ein glücklicher Tag», begrüßt Projektleiter Dr.  John Eibner die Sklaven. «Heute soll niemand Angst haben.» Er stellt den Befreiten verschiedene Fragen: Kommen alle aus dem Norden? Ja. Hättet ihr gedacht, dass ihr jemals in den Süden zurückkommt? Die meisten schütteln den Kopf. «Als ihr versklavt wart, hat Gott euch nicht vergessen», sagt John Eibner. «Er hörte eure Schreie und wusste, dass ihr leidet.» Deshalb habe Gott einen Weg gefunden, um sie zurückzubringen, zurück in ihre Heimat. Arabische Mittelsmänner von CSI brachten die Versklavten ins Land der Dinka zurück. «Sind alle freiwillig hier oder will jemand zurück in den Norden gehen?», fragt John. Niemand will zurück. «Wir waren versklavt, wurden misshandelt», ruft jemand. Nein, sie seien nie mit Respekt behandelt worden, hätten dagegen immer wieder Schläge ertragen müssen. «Wer musste zuschauen, wie andere Sklaven getötet wurden?» Fast alle heben die Hand hoch.

Dann ruft John diejenigen nach vorne, bei denen die Versklavung sichtbare Wunden zurückgelassen hat. Zusammen mit Dr.  Luka, unserem Arzt, klärt er ab, wer medizinischer Versorgung bedarf. Bisher war niemand bei einem Arzt. Dann wählen wir einige Sklaven für ausführliche Interviews aus.

Fürs Leben gezeichnet – Interview mit Abuk

CSI: Wie bist du in den Norden verschleppt worden?

Abuk Ayok Akok: 1992 wurde mein Dorf von Murahalin (bewaffnete Milizen der nomadisch lebenden Baggara) überfallen. Es herrschte großer Lärm, man hörte Schüße. Die Leute liefen schreiend davon. Ich war erst 9-jährig und konnte nicht so schnell laufen wie meine Familie. Deshalb fingen sie mich. Sie schlugen mich mit einem Bambusstecken, damit ich aufhörte zu schreien, und setzten mich auf ein Pferd. In der Nacht wurden viele Frauen vergewaltigt. Auch ich wurde von drei Männern vergewaltigt, obwohl ich ja erst neun Jahre alt war. Sie hatten ein Messer.

Ein kurzes Stück waren wir auf Pferden unterwegs. Dann erreichten wir eine große Gruppe mit andern Südsudanesen, die ebenfalls gefangen worden waren. Wir mussten zu Fuß in den Norden marschieren. Obwohl wir Hunger hatten, bekamen wir nichts zu essen. Wer krank oder zu schwach war, um weiterzugehen, wurde einfach erschossen. Wir mussten – als Warnung – alle zuschauen, wie sie drei Personen die Kehle durchschnitten.

Im Norden bist du einem Araber übergeben worden, der künftig über dich bestimmen konnte. Wie hat er dich behandelt?

Mein Sklavenhalter war Mohammed Ibrahim. Er zwang mich, ihn Vater zu nennen, obwohl er mich schlecht behandelte. Ich musste bei den Kälbern und Ziegen schlafen. Seine Frau hieß Mariam. Sie war freundlich. Sie hatte einige Kinder. Mein Sklavenhalter hat mich manchmal auch als Frau benutzt. Ich habe aber keine Kinder.

Ich musste hart für Mohammed arbeiten, vom frühen Morgen bis es dunkel wurde. Einmal – ich war erst ein Jahr dort – war ich krank. Als mein Sklavenhalter mich anherrschte, ich solle Wasser holen, weinte ich und sagte, ich könne nicht gehen. Darauf schlug er mich mit einem Stock. Ich fiel ins Feuer und verbrannte mir die Hand. Ein Finger nach dem andern fiel dann einfach ab. Heute bin ich verkrüppelt. Weil ich nur noch eine Hand habe, kann ich nicht mehr viel machen. Ich fühle mich nutzlos.

Bist du auch beschnitten worden?

Ja. Mein Sklavenhalter sagte mir, wenn ich beschnitten werde, sei ich wie sein Kind. Ich weigerte mich, weil man das bei uns nicht macht.

Er hielt mir die Pistole an die Schläfe und drohte, mich zu erschießen. Ich hatte Angst wegen der Pistole. Mit mir zusammen wurden auch drei arabische Mädchen beschnitten und noch eine andere Dinka-Frau. Die Araberinnen waren glücklich und bekamen ein Armband geschenkt, weil sie jetzt als richtige Musliminnen galten.

Hast du in der Sklaverei mit anderen Leuten aus deinem Dinka-Volk sprechen können?

Es gab einige andere Dinka in meiner Umgebung. Wenn ich aber erwischt wurde, wie ich mit ihnen sprach, schlug mein Sklavenhalter mich. Er hatte Angst, dass wir Fluchtpläne ausheckten. Die andern Dinka erzählten mir von einem Sklaven, der getötet wurde, weil er versucht hatte, zu fliehen. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass ich je wegkommen könnte.

Projektleiter John Eibner | Adrian Hartmann