Hilfe für die Menschen im Flüchtlings-Bergdorf

Bei der letzten Irak-Reise haben CSI-Mitarbeiter Hygienepakete und Wintermäntel in Sharanish verteilt. Das christliche Bergdorf an der Grenze zur Türkei wurde mehrmals Ziel von Bombardierungen. Der 80-jährige Dorfvorsteher Habeeb Thoma erklärt, warum er trotz allem bleiben will.


Fast zwei Stunden dauert die Reise von der kurdischen Stadt Dohuk bis Sharanish. Die Route führt auf einer holprigen Strasse vorbei an atemberaubenden Hügelketten. Das assyrische Dorf im nördlichsten Gebiet Kurdistans ist in einem Flusstal gelegen und von einer idyllischen Landschaft umgeben. Um den abgelegenen Ort mit dem Auto zu erreichen, muss man verschiedene Checkpoints der kurdischen Peschmerga und der PKK passieren.

Dankbar für die Hilfe

Die Verteilung der CSI-Hygienepakete verläuft ruhig. Im kleinen, abgelegenen Dorf leben 29 Familien, die aus Mossul und der Ninive-Ebene vor dem Terror des Islamischen Staats hierher geflüchtet sind. Sie sind sehr dankbar für die Hygienepakete, die nebst Pflegeprodukten wie Zahnpasta oder Seife auch Putz- und Waschmittel beinhalten. «Insgesamt konnten wir in Sharanish 46 Hygienekörbe an die geflüchteten Familien und an langjährige Dorfbewohner verteilen. Zudem erhielten die vertriebenen Menschen Wintermäntel», so Nahost-Projektleiter Dr. John Eibner.

Im Gespräch erklärt Habeeb Thoma, der Dorfvorsteher (Mukhtar) von Sharanish, dass nach den IS-Eroberungen vom Sommer 2014 gar 140 Familien in seinem Dorf Schutz suchten. «Doch in den letzten Monaten haben die meisten Sharanish wieder verlassen.» Sie seien nach Erbil weitergezogen oder haben den Irak ganz verlassen. «Das Leben in diesem winzigen, abgeschiedenen Dorf ist äusserst hart», erklärt Thoma. Dennoch ist in Sharanish die Schule für intern Vertriebene in Betrieb, derzeit mit noch etwa 30 SchülerInnen.

Dorfvorsteher bleibt aus Verantwortungsgefühl

Auch Thoma selbst weiss nur allzu gut, was es heisst, ein von Krieg und Konflikten gezeichnetes Leben zu führen. Als es 1982 zu Zusammenstössen zwischen der kurdischen PKK und den Türken kam, wurde Sharanish von der Türkei bombardiert. Thoma floh in die nächstgelegene Stadt Zakho. 1992 kehrte er nach Sharanish zurück. Seitdem lebt er hier als Dorfvorsteher.

Längst nicht alle Mitglieder von Thomas Grossfamilie wohnen in deren alten Heimat. Einige seiner Kinder sind nach Australien ausgewandert. Er selbst besuchte sie für ein halbes Jahr in Down Under. Doch einer seiner Söhne wollte wieder zurück nach Sharanish. «Deshalb wohne auch ich wieder hier. Zudem bin ich als Dorfvorsteher verantwortlich für die Menschen in Sharanish. Wenn aber alle unser Dorf verlassen würden, so würde ich mitgehen.»

Reto Baliarda


Immer wieder Kriegsschauplatz

Sharanish wurde nach dem ersten Weltkrieg von assyrischen Christen besiedelt, die vor dem Genozid der Türken geflohen waren. 1933, kurz nachdem der Irak die Unabhängigkeit von Grossbritannien erlangte, richteten kurdische Stammesangehörige ein Blutbad an und töteten tausende assyrische Christen. Die irakische Regierung billigte dieses Massaker stillschweigend.

1982 wurde Sharanish durch die Türken bombardiert, als diese die Kurden angriffen. Nur sechs Jahre später wurde das Dorf von irakischen Streitkräften dem Erdboden gleichgemacht. Zur selben Zeit kam es zum mörderischen Giftgas-Angriff in der kurdischen Stadt Halabdscha, im Auftrag des gestürzten Diktators Saddam Hussein.

Auch in der jüngsten Gegenwart blieb Sharanish nicht verschont. Am 16. Januar 2016 bombardierte die türkische Luftwaffe Sharanish, um PKK-Stellungen zu treffen. Der chaldäische Patriarch Louis Raphaël Sako verurteilte die Attacke aufs Schärfste. Diese sei durch nichts zu rechtfertigen. Menschen kamen bei diesem Angriff keine zu Schaden, wobei laut Augenzeugen viele Bewohner in Panik flüchteten.