«Ich musste meinen Ehering verkaufen»

CSI-Mitarbeiter Joel Veldkamp besuchte kurz vor Weihnachten 2013 christliche Familien, die vor Islamisten in die Ninive-Ebene geflüchtet sind. Dort ist es sicherer, aber Arbeit gibt es kaum. Auswandern scheint vielen der einzige Ausweg zu sein.

«Schiitische Extremisten kamen zweimal zu unserem Haus und nötigten mich, meine Arbeit aufzugeben», erzählte mir Hani. «Sie drohten, mich zu erschießen, wenn sie mich ein drittes Mal antreffen.» Das geschah in Bagdad im Jahr 2006. Hani wohnte mit seiner Familie in einem mehrheitlich schiitischen Quartier. Wie vielen anderen christlichen Familien in Bagdad blieb Hani nichts anderes übrig, als mit seiner Frau Amira und seinen fünf Kindern zu flüchten. Sie wussten, dass die schiitischen Extremisten es ernst meinten: «Christen aus unserem Bekanntenkreis wurden getötet. Bewaffnete kamen in ihren Laden und brachten sie um.» 

Ein Raum für sieben Leute

Ich besuchte die Familie kurz vor Weihnachten 2013 in ihrem Dorf in der Ninive-Ebene. Zusammen mit der Menschenrechtsorganisation Hammurabi, unserem Partner im Irak, verteilte ich an christliche Flüchtlinge Winterjacken. Sie seien hierhergekommen, weil Amiras Vater hier lebt, erzählte die Familie. Zuerst wohnten sie bei ihm, später zogen sie in eine der Wohnungen, die die Behörden für die Flüchtlinge gebaut hatten. Sie bezahlen für die Wohnung 70 Franken Miete pro Monat. Es ist eng – sieben Personen wohnen hier auf engem Raum zusammen.

«Drei von uns essen stehend, weil wir nicht genügend Stühle haben», erzählt Hani. «Es gibt keinen anderen Ort, wohin wir gehen könnten; wir haben kein Geld, um Land zu kaufen.» Es ist hier zwar sicherer als in Bagdad, aber es gibt keine Arbeit. Der älteste Sohn, er ist 24-jährig, hat Arbeit in Erbil gefunden, einer Stadt im Kurdengebiet im Norden des Iraks, die einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. «Wir leben alle von seinem Gehalt», sagt Hani.

Hohe Medikamentenkosten

Die Familie muss hohe Medikamentenkosten tragen: Der Teenager Randy leidet wegen der Luftbombardements in Bagdad an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Manchmal kaue er an seinen Fäusten. Die Krankheit beeinträchtige auch seine Ausbildung. Er sei erst in der dritten Klasse, dabei müsste er vom Alter her bereits die siebte besuchen. Seine Medikamente kosten etwa 60 Franken pro Monat. Hani selber braucht Medikamente gegen eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse (75 Franken pro Monat) und Amira gegen hohen Blutdruck und einen hohen Cholesterinspiegel (40 Franken pro Monat). «Ich habe sogar meinen Ehering verkaufen müssen, um die Medikamente bezahlen zu können», sagt Amira traurig. Für die Kinder gebe es hier keine Zukunft. «Wir wollen auswandern. Wir warten auf Gottes Barmherzigkeit.» Auch wenn ihre Situation hoffnungslos scheint: Diese Leute haben mich beeindruckt. Ihre Großzügigkeit trotz aller Armut und die große Dankbarkeit haben mich sehr berührt. Ich bin froh, dass wir während der nächsten Monate einen Teil der Medikamentenkosten übernehmen können.

Autor: Joel Veldkamp