In der Nacht gelang ihr die Flucht aus der Sklaverei

Ajok Awac Buk wurde von den arabischen Angreifern gekidnappt, als sie aus dem brennenden Wald fliehen wollte. Als Sklavin verkauft, wurde sie erniedrigt, geschlagen und vergewaltigt. Ajok ist dankbar, nach 17 Jahren wieder in ihrer Heimat zu sein.


«Ich verbrachte eine glückliche Kindheit in unserem Dorf Nyimlel im Südsudan. Kurz nach meiner Hochzeit geschah das Schreckliche, das mein Leben komplett veränderte. Ich arbeitete auf dem Feld und war mit dem Melken der Kühe beschäftigt, als ich auf einmal Schüsse hörte. Ich sah, wie alle Menschen um mich herum davonrannten. Ich floh mit ihnen, bis wir das Dorf «Pantit» erreichten. Dort versteckten wir uns im Wald.

Die Feuerfalle der Entführer

Doch die arabischen Milizen verfolgten uns auf ihren Pferden. Sie hatten gesehen, wie wir uns verstecken wollten, und setzten den Wald in Brand. Als ich unter Todesangst aus dem Wald geflohen war, wurde ich von vier Arabern geschnappt. Sie waren skrupellos und vergewaltigten mich. Völlig traumatisiert wurde ich gezwungen, mit ihnen zu gehen und eine ihrer Munitionskisten zu tragen. Zu essen erhielt ich nur die spärlichen Essensreste der Araber.

Vergeblicher Kampf der SPLA

Während der Verschleppung tauchten Kämpfer der Sudanesischen Befreiungsarmee (SPLA) auf. Sie verfolgten die Araber und es kam zu Feuergefechten. Doch die SPLA konnte kaum jemanden von uns befreien. Viel schlimmer noch: Viele entführte Dinkas kamen bei der Schiesserei ums Leben, da sie von den Arabern als «Schutzschilder» missbraucht wurden.

So dauerte die Entführung an. Acht Tage lang musste ich fast ununterbrochen marschieren. Dann erreichten wir einen Ort im Norden des Sudans, wo wir – wie auf einem Markt – mit den Kühen und Ziegen ausgestellt wurden. Hier wurde ich als Sklavin an Badhowei Ibrahim verkauft. Er nahm mich mit in sein Dorf Majera. Mein Sklavenhalter hatte eine Frau, vier Kinder und weitere Dinka-Sklaven. Badhowei gab mich einem der Sklaven namens Deng zur Frau.

Verheiratet und missbraucht

Jeden Tag mussten wir stundenlang in einer Sorghum- und Wassermelonenfarm arbeiten. Oft wurde ich dabei vom Hunger geplagt, da wir nur ganz wenig zu essen bekamen. Und wenn ich abends vom Feld zurückkam, war mein Arbeitstag noch lange nicht zu Ende. Nun musste ich die Kleider der Kinder waschen. Doch ich konnte mir so viel Mühe geben wie ich wollte, meinem Sklavenhalter konnte ich es nicht recht machen. Immer wieder fand er, dass ich die Kleider zu spät waschen würde. Er schlug mich dann jeweils. Auch wurde ich von ihm beleidigt und erniedrigt. Badhowei nannte mich «dreckige Jengai» (Neger) und «Hund»!

Dass mich mein Sklavenhalter einem Dinka zur Frau gegeben hatte, hielt ihn nicht davon ab, mich regelmässig zu vergewaltigen. Von beiden zusammen habe ich fünf Kinder. Auch wurde ich zum Islam zwangsbekehrt und musste die grausame Mädchenbeschneidung über mich ergehen lassen.

Nach geglückter Flucht wieder in ihrer Heimat

Eines Tages vernahm ich von anderen Gefangenen, dass sich der Sklavenbefreier Adam Musa in unserer Gegend aufhalten würde, und dass er Dinkas zurück in den mittlerweile neu gegründeten Staat Südsudan zurückbringen möchte. In jener Nacht wartete ich auf eine günstige Gelegenheit und ergriff die Flucht. Ich hatte schreckliche Angst, dass mich mein Sklavenhalter erwischen würde.

Zum Glück dauerte es nicht lange, bis ich Adam Musa in einem Nachbardorf fand. Er nahm mich sogleich mit in sein Lager, wo ich weitere befreite Dinkas antraf. Zusammen mit unserem Befreier waren wir mehrere Tage und Nächte zu Fuss unterwegs. Er überquerte mit uns die Grenze und brachte mich nach Nyimlel zurück. Dafür bin ich ihm äusserst dankbar, denn ich habe meine Freiheit zurückgewonnen und kann in meiner Heimat ein neues Leben beginnen.

Reto Baliarda


Starthilfe für befreite Sklaven

Seit 1995 befreit CSI Sklaven, die vom Südsudan in den Norden Sudans verschleppt und verkauft wurden. Auch 20 Jahre später gehört die Befreiung von Sklaven im Sudan sowie deren Rückführung in den Südsudan zu den Kernaufgaben der Organisation. CSI konnte bis heute über 100’000 Sklaven befreien.

Das CSI-Projekt «Sklavenbefreiung» enthält im Wesentlichen folgende Aufgaben:

  • Sklavenbefreiung: Über ein Netzwerk arabischer Retter werden versklavte Südsudanesen im Norden lokalisiert und befreit. Die befreiten Sklaven werden an geheime Orte gebracht und von dort zurück über die Grenze in den Südsudan begleitet.
  • Starthilfe: Jeder befreite Sklave erhält einen Sack mit wichtigen Utensilien wie Wasserkanister, Planen und Moskitonetze. Dazu werden Milchziegen und Hirse verteilt.
  • Medizinische Hilfe: Die Rückkehrer erhalten erste medizinische Versorgung in der Buschklinik von CSI-Arzt Dr. Luka Deng. Schwerwiegende Fälle werden nach Kenia in die Hauptstadt Nairobi gebracht, wo sie gezielt behandelt werden können.