«Jagt den Christen-Pastor aus dem Dorf!»

Auch nach dem Ende des blutigen Bürgerkriegs ist für religiöse Minderheiten in Sri Lanka keine Ruhe in Sicht.

Gewaltlosigkeit ist im Buddhismus eines der wichtigsten Prinzipien. Dennoch kommt es im mehrheitlich buddhistischen Sri Lanka immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen gegen Christen und Muslime.

Anstieg religiöser Konflikte

Schon während des Bürgerkriegs zwischen der singhalesischen Regierung und den Rebellen der Tamil Tigers (LTTE) kam es vor, dass Christen und Muslime zwischen die Fronten gerieten, weil sie sich weigerten, Partei zu ergreifen. Seit der Bürgerkrieg 2009 zu Ende ging, sei jedoch ein dramatischer Anstieg an Übergriffen auf die religiösen Minderheiten zu verzeichnen, berichtet uns ein Missionar, der seit 17 Jahren in Sri Lanka arbeitet: «Während des Bürgerkriegs waren in vielen Gebieten sowohl die Hindus als auch die Buddhisten zu beschäftigt und ließen die Christen weitgehend in Ruhe.»

«Sri Lanka ist buddhistisch»

Buddhistisch-nationalistische Extremisten führen regelrechte Hasskampagnen gegen die religiösen Minderheiten durch, die in der Öffentlichkeit Misstrauen und Angst besonders vor den Christen schüren. Im Juni wurden im Dorf Ingiriya (Distrikt Kaluthara) Plakate aufgehängt, die die Vertreibung eines Pastors forderten: «Wir brauchen keine Kirche – alles, was wir brauchen, ist ein buddhistischer Tempel. Jagt den Christen-Pastor aus dem Dorf!» Solche Hetzkampagnen zeigen Wirkung: Allein seit Beginn dieses Jahres zählte die Evangelische Allianz von Sri Lanka (NCEASL) etwa 50 Übergriffe auf Kirchen. Im Bezirk Hambanthota im Süden der Insel fordern die Buddhisten sogar die Schließung aller Kirchen.

Federführend bei diesen Hasskampagnen sind die ultra- nationalistischen buddhistischen Bewegungen Bodu Bala Sena (Buddhistische Starke Armee, BBS) und Sinhala Ravaya (Singhalesisches Echo). «Sri Lanka ist kein Vielvölkerstaat und auch kein multireligiöser Staat. Es ist ein singhalesischer und buddhistischer Staat», verkündete die BBS im März 2013. «Sri Lanka muss bereit sein, gegen die extremen christlichen und muslimischen Gruppen, die hier im Land arbeiten, zu protestieren.» Im Mai 2013 verbrannte sich sogar ein buddhistischer Mönch aus Protest gegen die christliche Evangelisationstätigkeit.

Auch Hinduextremisten gegen Christen

Doch die Diskriminierung geht nicht nur von den Buddhisten aus. An der Nord- und Ostküste leben hauptsächlich hinduistische Tamilen, die selbst einer Minderheitenreligion angehören und von den Buddhisten diskriminiert werden. Doch dort, wo die Hindus in der Mehrheit sind, stoßen Christen und Muslime auf großes Misstrauen in der Bevölkerung. «Immer wieder kommt es zu Gewaltandrohungen und Angriffen, bei denen Häuser zerstört und Menschen verletzt werden, bis hin zu Mord und Totschlag», erzählt uns der Missionar. «Die Angst der Christen vor Racheaktionen aus der Bevölkerung ist oft so groß, dass sie Straftaten nicht anzeigen. Wenn sie doch zur Polizei gehen, bleibt diese oft untätig und bietet weder den Opfern Schutz, noch bringt sie die Täter vor Gericht.»

Druck vom Staat

Anfang 2013 sicherte Mahinda Rajapaksa, der buddhistische Präsident von Sri Lanka, den religiösen Minderheiten gleiche Rechte zu: «Dies ist ein demokratisches Land. Nichtbuddhisten haben gleiche Rechte und Freiheiten.» Auch die Verfassung garantiert zwar Religionsfreiheit, dennoch bleibt der Staat nicht nur untätig gegenüber der Diskriminierung durch die Bevölkerung – er sorgt auch selbst für Druck auf die Minderheitenreligionen. Die Lokalbehörden nehmen ihre Aufgabe, die Freiheit der religiösen Minderheiten zu schützen, in vielen Fällen nicht ernst, gerade in verwaltungsrechtlichen Fragen, wenn es zum Beispiel um den Bau einer Kirche oder um einen eigenen Friedhof geht. (In den tamilischen Gebieten wird Christen oft die Bestattung auf hinduistischen Friedhöfen verweigert.)

Seit 2004 nimmt die Jathika Hela Urumaya, eine Partei unter der Führung buddhistischer Mönche, mehrere Sitze im Parlament ein. Seither brachten sie mehrfach Vorlagen für ein Anti-Konversions-Gesetz vor, die bisher zurückgewiesen wurden. Dennoch ist die Sorge groß, erzählt uns der Missionar: «Diese Gesetzesvorlagen haben die Angst der Christen geschürt, dass sie noch stärker unter Druck geraten könnten.»

Autorin: Luise Fast

Quellen: Asia News | National Christian Evangelical Alliance of

Sri Lanka | Barnabas Fund | Tamil Youth Organization

 


 

Geprägt vom Bürgerkrieg

Wie in vielen multikulturellen Gesellschaften überlagern sich auch auf der Insel vor der indischen Küste religiöse und ethnische Auseinandersetzungen. Über 70  % der 21,5 Millionen Einwohner Sri Lankas sind Buddhisten, die der ethnischen Gruppe der Singhalesen angehören. Die Nord- und Ostprovinzen werden mehrheitlich von den meist hinduistische Tamilen (etwa 10  % der Gesamtbevölkerung) bewohnt.

Mehr als 25 Jahre lang tobte ein grausamer Bürgerkrieg zwischen der singhalesischen Regierung und den tamilischen Rebellen (Tamil Tigers, LTTE). Viele Tamilen mussten fliehen und kamen nach Europa. Allein in der Schweiz leben mehr als 42  000 Flüchtlinge aus Sri Lanka, die meisten von ihnen Tamilen. Sie sind die zahlenstärkste Gruppe von außereuropäischen Migranten in der Schweiz. Viele von ihnen wurden nur vorläufig aufgenommen. Das Bundesamt für Migration begann 2011 mit Ausschaffungen. Bisher wurden rund 40 Personen zwangsausgeschafft, mehr als 250 kamen d Wegweisungsverfügung nach. In mehreren Fällen wurden Ausgeschaffte jedoch in ihrer Heimat eingesperrt und gefoltert Seit Anfang September 2013 hat das Bundesamt für Migration weitere Ausschaffungen deshalb ausgesetzt und erfüllt damit eine Forderung der Sri-Lanka-Kampagne von drei NGOs. Die Kampagne fordert den Bundesrat weiter dazu auf, gut integrierte Personen aus Sri Lanka definitiv aufzunehmen und kein Rückübernahme-Abkommen abzuschließen, solange Sicherheit und Würde der abgewiesenen Asylsuchenden nicht garantiert werden können.