Keine Entspannung in Sicht

Die Situation in Nigeria verschärft sich zusehends. Boko Haram strebt einen Staat unter der Scharia an und nimmt deshalb gezielt Christen und alle, die sich für ihren Schutz einsetzen, ins Visier.

«Auch dieses Jahr haben sich an Weihnachten kaum Menschen aus meiner Gemeinde in den Gottesdienst gewagt», berichtet Pfarrer Michael aus der Diözese Minna im Bundesstaat Niger. «Die Leute sind das ganze Jahr hindurch in permanenter Angst vor der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram. Selbst hier im vergleichsweise sicheren Minna sind die Islamisten schon aufgetaucht und haben Menschen umgebracht.» Pfarrer Michael hat Verständnis für die Ängste der Menschen. Die Bedrohung ist sehr real. Auch viele Pfarrer und Priester wurden bereits umgebracht. Doch Pfarrer Michael wird nicht müde zu betonen, wie wichtig gerade in diesen Zeiten das mutige Bekenntnis zum Glauben ist. Dass auch Menschen außerhalb Nigerias an ihrem Schicksal Anteil nehmen, ist eine große Ermutigung für die Menschen vor Ort.

Terror nimmt zu

Die islamistische Boko Haram (Hausa für «Westliche Bildung ist Sünde») hat sich zum Ziel gesetzt, ganz Nigeria von westlichen Einflüssen zu «säubern». Damit werden Christen und ihre Einrichtungen – insbesondere Kirchen, Schulen und Krankenhäuser – zu legitimen Zielscheiben, gehen sie doch auf die britischen Kolonialisten zurück. Die Kolonialisten blockierten auch eine weitere Ausbreitung des Islams in den Süden. Dies will Boko Haram nun ändern und Nigeria zu einem Scharia-Staat machen. Seit Anfang 2012, als die islamistische Terrororganisation sich klar positioniert und Christen zum Ziel erklärt hat, sind die Angriffe auf sie intensiviert worden. Attackiert werden auch staatliche Einrichtungen und Muslime, die sich in Schutzmilizen gegen die Terroristen engagieren oder öffentlich gegen Boko Haram protestieren.

Flüchtlinge aus dem Norden

Insbesondere im Norden des Landes wüten die Islamisten der Boko Haram – oder die Taliban, wie sie von den Einheimischen auch genannt werden. Fast täglich erreichen uns Nachrichten von Überfällen auf Christen. Viele sind in panischer Angst in südlichere Bundesstaaten geflohen. So wie Patience (Name geändert), die mit ihrem Mann, fünf Kindern und ihrem Cousin in Kano lebte. Kano, die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaats im Norden Nigerias, ist die zweitgrößte Stadt des Landes. Gemeinsam unterhielt die Familie einen kleinen Laden auf einem der Marktplätze. Sie hatten damit ein gutes Auskommen, die Kinder konnten zur Schule gehen und die Familie konnte ein normales Leben führen. Doch im August 2012 verübte Boko Haram eine Serie von koordinierten Bombenanschlägen in Kano. Eine der Bomben detonierte auf dem Marktplatz, nahe dem Laden der Familie. Der Cousin von Patience wurde durch die Bombe getötet, der Laden komplett zerstört. Die Familie hatte damit ihren gesamten Besitz verloren. Trauer, Angst und Hoffnungslosigkeit trieben Patience und ihren Mann dazu, gemeinsam mit den Kindern in den Süden zu flüchten. So kamen sie nach Enugu in der Hoffnung, dort wenigstens in Frieden leben zu können. Die Kirche vermittelte ihnen eine Unterkunft in einem kleinen Dorf. Da sie mit dem Anschlag buchstäblich alles verloren haben, sind sie bisher auf die Unterstützung durch Nachbarn und die lokale Kirche angewiesen. Sie sehnen sich zurück nach Normalität und würden gerne wieder einen kleinen Stand auf einem Markt eröffnen. Doch dazu fehlt ihnen das Startkapital. Auch die Kinder würden gerne wieder zur Schule gehen, doch es fehlt das Geld für die Schulgebühren.

Hilfe dringend nötig

Gerade in Enugu gibt es heute viele Flüchtlinge. Die Behörden und die lokalen Kirchen sind hoffnungslos überfordert. CSI hilft über lokale Partner mit Kleinkrediten und Startkapital, damit die Familien sich wieder eine Lebensgrundlage schaffen und die Kinder wieder zur Schule gehen können. Daneben stehen wir auch weiter den Opfern des Bombenanschlags bei, der an Weihnachten 2011 auf eine Kirche in Madalla verübt wurde.

Autor: Benjamin Doberstein

 


 

Weil die Gewalt im Norden Nigerias Anfang des Jahres 2013 zunehmend eskalierte, wurde im Mai 2013 in den von der Gewalt besonders betroffenen Staaten Borno, Yobe und Adamawa der Notstand ausgerufen (siehe Karte).

Das Militär lieferte sich heftige Gefechte mit der Boko Haram. Seither sind Zehntausende auf der Flucht.

Christen werden getötet oder vertrieben, Frauen stehen in der Gefahr, entführt und zwangsislamisiert zu werden – in Kano wurden in einem Haus 40 christliche Mädchen gefunden, die dort festgehalten und mit Muslimen zwangsverheiratet werden sollten. Kinder sind besonders gefährdet: Die Boko Haram entführte im vergangenen Jahr sogar erst 12-Jährige, um sie z Kämpfern auszubilden.

Weiterhin sind besonders Schulen und Kirchen im Visier der Islamisten: Im Bundesstaat Yobe waren bis Juni bereits über 200 Schulen von der Boko Haram niedergebrannt worden. Daraufhin wurden alle Sekundarschulen in Yobe geschlossen. Im ganzen Land wurden nach vorsichtigen Zählungen fast 300 Kirchen zerstört und mehr als 600 Christen kamen ums Leben. Im November wurde der Konflikt offiziell als Bürgerkrieg anerkannt und die Boko Haram als Terrororganisation eingestuft.