Nach 18 Jahren endlich wieder frei

Beim Überfall auf einen Marktplatz wurde die Südsudanesin Aweer Garang Kuol von muslimischen Milizen aus dem Norden verschleppt. 18 Jahre lang musste sie als Sklavin für verschiedene Familien schuften. Immer wieder wurde sie körperlich missbraucht. Aweer ist dankbar, dass sie befreit wurde und wieder in ihrer Heimat lebt.

Aweer stammt ursprünglich aus der Stadt Wakabil im Nordwesten des heutigen Südsudans. Sie war noch ein kleines Kind, als sie an einem schönen Tag mit ihrer Mutter im Markt von Rumanyiel diverse Sachen verkaufte. «Plötzlich tauchten bewaffnete Araber auf und schossen auf uns», erinnert sie sich. Viele Menschen kamen dabei um, auch ihre Mutter wurde tödlich getroffen.

Doch Aweer hatte gar keine Gelegenheit zu trauern. Vielmehr musste sie um ihr eigenes Leben fürchten. «Im Gegensatz zu meiner Mutter liessen sie mich zwar am Leben. Doch sie nahmen mich gefangen und schlugen erbarmungslos auf meine Arme und Beine», beschreibt die junge Frau die brutalen Momente und zeigt dabei die Narben an ihrem Arm.

An den Händen gefesselt, wurde Aweer von den arabischen Milizen in den Norden verschleppt. Während der Entführung, die einige Tage dauerte, wurde sie mehrmals vergewaltigt.

Harte Arbeit für keinen Lohn

Zusammen mit anderen Gefangenen aus ihrer Heimat kam sie schliesslich an einem Ort an, der sich Alabet nennt. Sie wurde dort als Sklavin verkauft und musste insgesamt 18 Jahre lang für verschiedene Familien schuften. Täglich musste sie den Boden wischen, Wasser holen und beim Zubereiten des Essens helfen.

Aweers letzter Sklavenhalter hiess Abelhala Ali. Doch es machte keinen Unterschied, bei wem sie war. «Keiner meiner Sklavenhalter hatte es mir jemals erlaubt, in dessen Haus zu schlafen. Stets musste ich in einer einfachen, heruntergekommenen Hütte übernachten.» Für ihre harte Arbeit erhielt sie weder einen Lohn, noch wurde sie jemals medizinisch behandelt. Während der 18 Jahre, die Aweer als Sklavin genommen wurde, wurde sie von mehreren Männern sexuell missbraucht.

Eine unerwartete Begegnung mit Folgen

Als Aweer eines Tages wieder einmal auf ihrem Weg zum Brunnen war, traf sie den Sklavenbefreier Adam Musa. «Er war sehr freundlich zu mir und sagte, dass er mich zurück in den Südsudan bringen könne.» Die mittlerweile erwachsene Frau nahm die Gelegenheit wahr. Glücklich, aber auch etwas verunsichert, ging sie schnell zu Abelhalas Haus, um das Wenige, das sie hatte, mitzunehmen. Dann rannte sie zurück zu Adam, wo sie auch anderen befreiten Sklaven begegnete. Zusammen marschierten sie zurück in die alte Heimat, die inzwischen ein eigener Staat geworden war. «Ich bin so glücklich, im Südsudan zu leben. Ich möchte meine Zukunft wieder in meiner Heimatstadt Wakabil gestalten.»

Reto Baliarda