Opfer von extremistischen Übergriffen besser schützen

«Indien befindet sich im Würgegriff der religiös motivierten Gewalt. Die in der Verfassung garantierte Religionsfreiheit muss bedingungslos umgesetzt werden», betont Anwältin Arora an einer EU-Tagung der parlamentarischen Gruppe für Glaubensfreiheit.


Auf Einladung der «European Parliament Intergroup on Freedom of Religion or Belief & Religious Tolerance (FoRB)» in Brüssel brachte Arora einen eindrücklichen Beitrag über die Religionsfreiheit in ihrem Land.

«Demokratische Nation»

Die indische Gesellschaft sei tief religiös und pluralistisch. Unter den knapp 1,3 Milliarden Einwohnern leben 25 Millionen Christen, hält sie eingangs fest. «Indien ist eine demokratische Nation, die jedem Bewohner sowohl Meinungsfreiheit als auch die Möglichkeit garantiert, den persönlichen Glauben frei auszuüben und zu verbreiten.»

Trotz dieser positiven Attribute sei das Land in den letzten Jahrzehnten von der sektiererischen Gewalt der Extremisten gegenüber religiösen Minderheiten heimgesucht worden. Diese Brutalität werde von der hinduistischen Ideologie (Hindutva) geschürt, die Indien als hinduistische Nation betrachtet und in der religiöse Minderheiten als Bürger zweiter Klasse gelten.

Erhöhte Anzahl Angriffe auf Minderheiten

Gemäss der Zeitung «Huffingtonpost» gab es letztes Jahr von Januar bis Ende Oktober 630 registrierte Angriffe auf Minderheiten, fast 90 Fälle mehr wie 2014. Doch die Dunkelziffer ist weit höher. Die Anzahl der Zwischenfälle haben sich seit der Modi-Regierung stark erhöht. Dabei handelt es sich vornehmlich um Drohungen, körperliche Gewalt, Einschüchterungen, willkürliche Festnahmen, falsche Strafanzeigen und z.T. lange Haftstrafen, Diskriminierung und Zerstörung von Häusern und Kirchen bis hin zum Mord.

Opfer zu wenig ernst genommen

Die Opfer getrauen sich oft nicht, Anzeige zu erstatten, da sie sich vor weiteren Angriffen fürchten. Hinzu kommt, dass die Polizei die Minderheiten häufig nicht ernst nimmt. Im Gegenteil: Sie werden oft schikaniert oder sogar festgenommen und selber angezeigt. «Die Straffreiheit, welche die gewalttätigen Mobs geniessen, ist ein noch grösserer Anlass zur Sorge», so Arora. Die Gleichgültigkeit der Polizei zeige sich am Beispiel des Pogroms in Kandhamal 2008 mit über 100 getöteten Christen. Bei den über 2500 Anklageschriften, die eingereicht worden waren, wurden 84’000 Menschen eines schweren Vergehens beschuldigt. Bis heute wurden jedoch nur neun Personen verurteilt, die beim Massaker an den Christen beteiligt waren.

Hass und Gewalt gegenüber Glaubensminderheiten wie Christen und Muslimen werden durch die Anti-Konversionsgesetze angestachelt. Diese Gesetze bürden den Menschen, die sich vom Hinduismus zu einem anderen Glauben bekehren, hohe administrative Hürden auf.

Christen auch als Dalits benachteiligt

Vor der Konversion werden die Hindu-Gläubigen oft mit Drohungen eingeschüchtert. Dies verhindert immer wieder, dass die Hindus sich für eine andere Religion entscheiden. Hinzu kommt, dass die Unberührbaren unter den Hindus (Dalits) von staatlichen Vorzügen profitieren (Subventionen, Jobangebote, Ausbildung, etc.). Sobald aber diese Hindu-Dalits ihre Religion wechseln, haben sie keinen Anspruch mehr auf staatliche Hilfen. Vielmehr werden sie diskriminiert und bedroht, was natürlich vielen Bekehrten grosse Angst bereitet.

In sechs Bundesstaaten sind die Anti-Konversionsgesetze bereits in Kraft getreten. Und wenn es nach dem Willen von ranghohen Mitgliedern der regierenden BJP-Partei geht, sollen diese Gesetze landesweit eingeführt werden.

Empfehlungen

In ihrem Beitrag hat Arora eine Reihe von Empfehlungen zum Schutz der indischen Minderheiten aufgeführt. So müsse die Religionsfreiheit in Indien unterstützt und bei Missachtung sowohl die polizeilichen als auch die juristischen Massnahmen besser zum Tragen kommen. Die Anti-Konversionsgesetze sollten abgeschafft oder so angepasst werden, dass sie den internationalen Menschenrechts-Standards entsprechen. Im Weiteren sollte die indische Regierung Behörden oder Religionsführer, die gegen Minderheiten hetzen, öffentlich brandmarken.