Louis Raphaël Sako, Patriarch der Chaldäischen Kirche im Irak, weist in seinem neuen Buch «Ne nous oubliez pas!» auf die akute Bedrohung der Christen im Irak hin. Sie benötigen dringend Hilfe. Ansonsten wird es in fünf Jahren im Irak keine Christen mehr geben.
Seit 2000 Jahren leben die Christen im Irak. Der Apostel Thomas hatte hier das Evangelium verbreitet. Auch nach der Ankunft der Muslime im 7. Jahrhundert blieben die Christen zahlreich.
Bis 2003 lebten im Irak noch 1,5 Millionen Christen. Dann folgte die Invasion der Amerikaner. Diese hinterliess im Irak ein brutales Chaos und markierte den Beginn der religiösen Verfolgung mit unzähligen Attentaten. Vor allem die Christen bezahlten einen teuren Preis.
Ein weiteres Kapitel widmet Sako der verheerenden Katastrophe, die der Einmarsch der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) in Mossul für die Christen bedeutete. In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2014 mussten die rund 10?000 Christen in Iraks zweitgrösster Stadt ihre Heimat innert 24 Stunden ohne Habseligkeiten verlassen. Ansonsten wären sie getötet worden.
Sämtliche Christen flohen in die Städte der Ninive-Ebene wie Karakosch. Nur drei Wochen später mussten sie wieder vor dem IS-Terror flüchten und in Kurdistan im Nordirak Schutz suchen.
Die Gewalt der IS-Dschihadisten ist brutal, schreibt Sako. Sie haben keine Angst vor dem Tod, weil sie glauben, dass sie dann im Paradies sein werden.
Das Leben des Patriarchen
In den nächsten zwei Kapiteln schreibt der Patriarch zum einen über sein persönliches Leben. «Meine Familie stammt aus der Türkei.» 1968 ging er ins heute christenfreie Mossul, um am Theologischen Seminar zu studieren. Seine Doktorarbeit schrieb er in Paris. 2003 wurde er in Kirkuk zum Bischof geweiht.
Zum anderen hebt Sako den Dialog mit den Muslimen hervor. Er pflegt ein gutes Netzwerk mit Imamen und muslimischen Würdenträgern. «Es ist mir wichtig, dem Islam mit Respekt zu begegnen.» Zugleich wünscht sich der Patriarch, dass sich Muslime auch für den christlichen Glauben interessieren.
Christen sollen im Irak bleiben
Schliesslich beschäftigt sich Sako mit der schwierigen Situation der rund 500 000 Christen, die heute noch im Irak leben. Die meisten sind ins Kurdengebiet des Landes geflohen. Gibt es für sie eine Hoffnung, wieder in ihre, durch den IS besetzte Heimat zurückzukehren?
Viele Christen denken an eine Flucht nach Europa oder Amerika. Doch Sako hält es für wichtig, dass sie in ihrer Heimat bleiben können. Der christliche Glaube übe auf die Region einen positiven Einfluss aus.
Auf die Frage eines «Le Monde»-Journalisten, ob Frankreich christliche Flüchtlinge aus dem Irak bevorzugen solle, entgegnet der Patriarch unmissverständlich: «Nein, der Irak darf nicht entchristianisiert werden. Sonst wird aus ihm ein zweites Afghanistan.»
Das Buch von Louis Raphaël Sako. Zurzeit nur auf Französisch erhältlich.
Reto Baliarda