Aufbauen oder aufgeben? CSI besucht leidgeprüfte Menschen

CSI-Projektleiter John Eibner war die beiden letzten Maiwochen in Syrien unterwegs. Er traf auf viel Zerstörung, besuchte Verletzte und sprach mit Flüchtlingen, die mit ihrer Heimat abgeschlossen haben. An anderen Orten bauen die Vertriebenen ihre Häuser wieder auf.

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Im Mai 2016 unternahm Dr. John Eibner seine sechste Reise nach Syrien. Sie war gefährlicher als auch schon. Wie immer war er mit Einheimischen unterwegs und verschaffte sich einen Eindruck, wie es der Bevölkerung in den verschiedenen Orten geht. «Die Situation in Syrien ist schockierend», berichtet John Eibner zurück in der Schweiz. Die Lage sei jedoch nicht überall gleich: «Es gibt Orte, wo sich die Situation für Christen verschlechtert, und andere Orte, wo sie stabil ist oder sich in den letzten Monaten sogar verbessert hat.» Im Folgenden ein kurzer Rückblick aus der Sicht von John Eibner.

Damaskus: Die Lage hat sich entspannt

«Auf meiner letzten Reise Ende 2015 hörte ich in Damaskus immer wieder Raketen einschlagen. Kampfflugzeuge donnerten über die Stadt. Dieses Mal war es entspannter. Es gibt wieder ein Nachtleben, die Leute getrauen sich auf die Strasse. Hier sprach ich mit dem syrisch-orthodoxen Patriarchen darüber, wie wir den syrischen Christen helfen können.»

Kamischli: Nur eine Ver­bindung zur Aussenwelt

«Die Leute in Kamischli sind völlig isoliert. Im Süden und Westen droht der Islamische Staat, die Grenze zur Türkei ist geschlossen, jene zum Irak sehr unsicher. Der einzige legale Weg: per Flugzeug aus Damaskus. Die Flüge werden jedoch häufig annulliert. Als ich ankam, wurde gerade eine christliche Hochzeit gefeiert. Der Bräutigam kam aus Deutschland, um eine Christin aus Kamischli zu heiraten. Doch nach der Hochzeit wird er mit ihr nach Deutschland ziehen. Die Kinder werden in Deutschland aufwachsen und mit ihrer Heimatregion wird sie nur noch sehr wenig verbinden.»

Hasaka: Wegen Schiesserei in der Kirche eingeschlossen

«Wir befanden uns in der syrisch-orthodoxen Kirche, als eine Schiesserei zwischen der kurdischen Miliz YPG und der Syrischen Armee ausbrach. Während vier Stunden konnten wir die Kirche nicht verlassen. Natürlich waren wir beunruhigt und verunsichert. Wir hörten die Schüsse von allen Seiten. Immerhin wussten wir, dass die Angriffe nicht gegen uns gerichtet waren. Das sorgte für eine gewisse Entspannung. Für die Leute in Hasaka ist das Alltag. Bald herrschte wieder Normalbetrieb.»

Chabur-Dörfer: Meh­r­heitlich ausgestorben

«Am Chabur-Fluss gab es über 30 christliche Dörfer. Alle Einwohner waren Nachkommen von Überlebenden des Genozids in der heutigen Türkei von 1915. Ich habe vier der Dörfer besucht. Der Islamische Staat (IS) hatte die Dörfer im Feb­ruar 2015 eingenommen. Offensichtlich hatte die Zerstörung der Kirchen für den IS Priorität: Die Terrormiliz weiss, wie wichtig die Kirchen in dieser Region sind, dass ein Dorf ohne Kirche für die Christen nicht mehr ein Zuhause ist. Viele Einwohner haben Syrien verlassen, die Dörfer sind ausgestorben. Es ist zu befürchten, dass die Christen ganz aus diesen Dörfern verschwinden. 100 Jahre nach der Vertreibung aus der Türkei werden jetzt die Nachkommen aus Syrien vertrieben.»

Tartus: Begegnung mit Opfern des Anschlags

«Mit stark steigenden Preisen, Stromausfällen und vielen Flüchtlingen leidet Tartus schon lange unter dem Krieg. Die alawitische Stadt am Mittelmeer blieb jedoch bisher von Kämpfen verschont. Sie steht bis heute unter der Herrschaft von Präsident Assad. Unzählige sunnitische Flüchtlinge fanden hier Schutz, ohne dass es zu grösseren Zwischenfällen gekommen wäre. Während meiner Reise verübte der IS mehrere Selbstmordattentate am stark frequentierten Busbahnhof. Ziel des IS ist es, die alawitische Bevölkerung gegen die sunnitisch-muslimischen Flüchtlinge aufzuhetzen. Ich war am Tag nach den Attentaten in Tartus und sprach mit sunnitischen Flüchtlingsfrauen. Aus Angst vor Übergriffen entschieden sie sich, in den nächsten Tagen das Haus nicht zu verlassen. Schon vor dem Attentat seien sie immer wieder angefeindet worden.»

Karyatain: Befreite Stadt voller Zerstörung

«Diese Stadt war im August 2015 vom IS erobert worden. Über 200 Christen wurden gefangengenommen. Im April 2016 eroberten die syrische Armee und verbündete Milizen mit der russischen Luftwaffe die Stadt zurück. Die Zerstörung ist gross. Es gibt weder Wasser noch Strom. Trotzdem sind etwa 1000 Muslime zurückgekehrt. Die 400 christlichen Familien, die früher in Karyatain wohnten, scheinen die Stadt aufgegeben zu haben: Sie kamen nur zurück, um alles mitzunehmen und zu verkaufen, was nicht niet- und nagelfest war.»

Homs: Tausende Ver­­trie­bene sind zurückgekehrt

«In Homs herrscht vorsichtige Aufbruchstimmung. Seit die Stadt im Mai 2014 von den Regierungstruppen zurückerobert wurde, sind mehrere tausend Leute in die Altstadt von Homs zurückgekehrt. CSI hat ebenfalls dazu beigetragen: Wir haben den Wiederaufbau einer christlichen Schule finanziert und unterstützen eine Tagesstätte für geistig Beeinträchtigte. Beim Entscheid für eine Rückkehr spielt es für die Flüchtlinge eine wichtige Rolle, ob ihre Kinder in die Schule gehen können. – Man darf jedoch nicht vergessen: Auch in Homs ist die Zerstörung enorm. Viele Häuser sind unbewohnbar.»

Sadat: Bürgermeister sagt «Gott will mich hier»

«In Sadat ist die Stimmung optimistisch: Ende 2015 stand der IS vor den Toren Sadats, wurde jedoch zurückgeschlagen. Es sei das erste Mal gewesen, dass ein IS-Angriff abgewehrt werden konnte ohne Luftunterstützung. Der Bürgermeister der Stadt lebte viele Jahre in den USA. Er habe es als seine Aufgabe gesehen, seinem Volk in dieser Krise zu helfen. Deshalb sei er mit seiner Frau und seinen Kindern zurückgekommen, berichtete er mir.»

Adrian Hartmann, CSI-Nahost-Projektassistent

 

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