Der Südsudanese Dut Ngong Kon war 19-jährig, als er von arabischen Milizen aus seinem Dorf entführt wurde. Nach einem qualvollen, zweiwöchigen Marsch wurde er im Sudan als Sklave verkauft. Sein Sklavenmeister behandelte ihn abschätzig und zwang ihn gar, im Stall zu schlafen. Dut ist dankbar, dass er nach 18 Jahren Versklavung wieder als freier Mensch im Südsudan leben kann. Er erzählt:
«Ich erinnere mich ziemlich genau an den schrecklichsten Tag meines Lebens. Ich genoss zuhause mit meiner Familie den lauen Morgen, als arabische Kämpfer auf unser Dorf losstürmten. Einige waren zu Pferd. Andere ritten auf dem Esel oder rannten auf uns zu. Als alle begannen, um sich zu schiessen, rannten wir alle davon. Doch zwei Araber erwischten mich und drückten mich gewaltsam zu Boden. Viele Bewohner aus unserem Dorf wurden ebenso gefangen genommen und verschleppt.
Flüchtende mit dem Tode bestraft
Nachts errichteten die arabischen Entführer einen Holzzaun um uns, sodass wir keine Chance hatten, zu fliehen. Tagsüber mussten wir immer im vorgegebenen Tempo in Einerkolonne marschieren. War jemand zu langsam, wurde er geschlagen oder gar erschossen. Auch diejenigen, die beim Fluchtversuch erwischt wurden, bezahlten dies mit dem Leben. So erging es zwei Dinka-Männern. Sie wurden auf der Stelle vor unseren Augen erschossen.
Zwei Wochen lang mussten wir unter ständiger Bedrohung marschieren. Zu essen erhielten wir lediglich die kümmerlichen Reste der erbarmungslosen Entführer.
Verlorene Jahre in der Versklavung
Als wir schliesslich den Norden des Landes erreichten, wurde ich sogleich an Abdullah verkauft. Mit seiner Frau Alima Zaky hatte er sieben Kinder. Ich musste zunächst zwei Jahre lang die Ziegen hüten. Danach war ich für die Kühe verantwortlich.
Ich durchlebte bei Abdullah eine schlimme Zeit. Seine Frau Alima mochte mich überhaupt nicht und liess nicht zu, dass ich mit ihren Kindern spielen konnte. Auch durfte ich nicht in ihrem Haus schlafen. Ich musste immer im Stall bei den Kühen übernachten. Kühe hatte Abdullah dermassen viel, dass ich schlicht überfordert war, tagsüber beim Hüten jeweils alle im Auge zu behalten. So kam es manchmal vor, dass eine Kuh verloren ging. Jedes Mal, wenn dies geschah, schrie Abdullah mich an und nannte mich «Jiengi» (Neger) oder «Hund».
Erfolgreiche Verhandlung zwischen Arabern
Meine christliche Identität konnte ich nicht behalten. Abdullah gab mir den arabischen Namen Osham Adhala. Auch wurde ich zum Islam gezwungen und musste fünfmal im Tag die muslimischen Gebete verrichten.
Nach 18 Jahren Sklaverei geschah etwas Unerwartetes. Ich vernahm, dass der Sklavenbefreier Osman Bashier in unser Dorf kommen würde, um Sklaven zurück in den Südsudan zu bringen. Zu meiner Überraschung erschienen Osman und seine Leute dann auch noch auf Abdullahs Bauernhof. Ich sah, wie Osman mit meinem Sklavenhalter sprach und ihm etwas in die Tasche steckte. Ich erkannte zwar nicht, was es war. Doch das war mir kurze Zeit später ziemlich egal. Denn tatsächlich konnte Osman mich zu seinem Lager mitnehmen, wo ich andere befreite Dinka-Sklaven traf. Zusammen traten wir erleichtert und voller Freude den Rückweg in unsere Heimat an. Unterwegs versorgte uns Osman mit frischen Lebensmitteln.
Nach zehn Tagen erreichten wir den Südsudan. Ich bin so glücklich, dass ich zuhause angekommen bin. Ich hoffe, dass ich noch möglichst viele Verwandte und Freunde finden werde.»
Reto Baliarda