In Youhanabad, einem von Christen bewohnten Vorort von Lahore, haben zwei islamistische Selbstmordattentäter am 15. März 2015 ein Blutbad angerichtet. CSI war bereits einen Tag später vor Ort. Im Mai besuchte unser Mitarbeiter Gunnar Wiebalck den Ort des Schreckens.
Stumm stehen die 15-jährige Hazel und der 12-jährige Philemon am Bett ihres Vaters. Shamoon Sodagar versucht, sich aufzurichten und mit einer Hand Röntgenbilder aus einem Umschlag zu ziehen. Sein zerschmetterter Beinknochen wird von einer Metallkonstruktion fixiert, darüber hat Shamoons Frau Rani ein Leintuch als Schutz gegen die Mücken ausgebreitet. «Für Christen gibt es in unserem Land kein Lebensrecht», klagt der ans Bett gefesselte Mann, der früher als Hotelangestellter ein gutes Auskommen hatte.
Demonstranten überfahren
Einen Tag, bevor Shamoon schwer verletzt wurde, hatten Terroristen zwei Kirchen in seiner Stadt angegriffen und ein Blutbad angerichtet. Der 40-Jährige, seine Frau und seine Kinder wollten gegen diese barbarische Gewalttat demonstrieren. Doch dann steuerte eine Frau ihren Toyota mit hoher Geschwindigkeit in die Demonstranten, tötete mehrere Menschen und verletzte ein halbes Dutzend weitere schwer. Während die Täterin auf Kaution freikam, wurde Shamoon zum bettlägerigen Invaliden.
Beherztes Eingreifen
Ein ähnliches Bild bot sich der CSI-Delegation bei den anglikanischen und katholischen Christen, die die Doppelanschläge auf ihre vollbesetzten Kirchen überlebten. Bei den gleichzeitig stattfindenden Angriffen hatten sich die Attentäter den Weg freigeschossen, kamen aber nicht durch die Kirchenpforten. An beiden Orten war es den freiwilligen jugendlichen Türstehern gelungen, die lebenden Bomben festzuhalten. «Der Attentäter war gut gekleidet und glattrasiert», berichtet Skendar, ein hünenhafter Mann, der die Explosion mit einem Schädelbruch und dem Verlust eines Auges überlebte.
Schwere Verbrennungen
Umherfliegende Bombensplitter richteten Tod und Verwüstung an. Sie durchlöcherten einen mit Öl gefüllten Transformator auf einem Strommast, der kochende Inhalt ergoss sich über mehrere Menschen. Qaisar erlitt Verbrennungen zweiten und dritten Grades am ganzen Körper und wurde zuerst für klinisch tot erklärt. Aus dem Koma erwacht, erkennt er jetzt wenigstens seine Familie wieder. Seine Frau Samina und die Kinder Sataesh und Cornelius wissen trotz ihrer Freude nicht, wie es nun weitergehen soll. Qaisar ist zum Pflegefall geworden und wird wohl nie wieder in seinen Schneiderberuf zurückkehren können. CSI sucht nach lokalen Partnern, um zu helfen.
Hoffnung und Perspektive
«So ein perfides Attentat hat es in Youhanabad noch nie gegeben», sagt der weisshaarige Pfarrer Bashir, der hier eine Pfingstkirche leitet. Am 15. Mai 2015 versammeln sich die Angehörigen der Opfer in seinem einfachen Gotteshaus. Aufgewühlt erzählen sie unter anderem von Mansoor Gill, einem über die Grenzen von Lahore hinaus bekannten Schriftsteller, der beim Anschlag ebenfalls verletzt wurde. Jetzt, nach seiner Genesung, hat er sich an die Arbeit gemacht und schreibt ein Buch über das Leben und Sterben beim Attentat von Youhanabad. Mansoor ist 90 Jahre alt. CSI hat an diesem Tag Lebensmittelhilfe für die Familien der Toten und Verletzten organisiert. Es fällt schwer, angesichts von so viel Unheil die richtigen Worte zu finden. «Niemand kann den schweren Verlust wieder gutmachen, den ihr erlitten habt», sagt Gunnar Wiebalck auf Englisch ins Mikrofon. «Einige werden sich vielleicht die Frage stellen, ob Gott seine Gemeinde verlassen hat. Aber das ist nicht der Fall. In seinem Sohn Jesus ist er uns Menschen im Leiden vorausgegangen. Und er hat versprochen, uns nicht alleine zu lassen.» Projektleiter Gunnar Wiebalck Mehr zum Anschlag auf die Christen in Lahore im März 2015
Mob attackiert christliches Quartier
Nachdem der psychisch beeinträchtigte Christ Humayun Faisal Masih Zeitungsseiten mit Koranversen verbrannt hatte, zog am 24. Mai 2015 ein wütender Mob durch ein christliches Quartier in Lahore. Der Mob schleuderte Steine gegen die Gebäude und plünderte einige Häuser. Einige wollten gar Masih bei lebendigem Leib verbrennen. Doch die Polizei, die seit dem Anschlag auf die zwei Kirchen schneller ausrückt, konnte den Mob auflösen und nahm Masih wegen Blasphemie fest. Das Verbrennen von Zeitungsseiten mit Koranversen gilt in Pakistan als Blasphemie. Dabei sind die Verse arabisch geschrieben und 95 Prozent der Pakistaner sprechen kein Arabisch.