Ein Attentäter zerstört Kinderträume für immer

Das Bombenattentat am Ostersonntag in Lahore hat vor allem bei jungen Eltern unsägliches Leid hervorgebracht. Denn unter den 70 Todesopfern waren viele Kinder. Unmittelbar nach dem Anschlag haben CSI-Vertreter Überlebende besucht und die Hilfe vor Ort in Gang gesetzt.


Es ist Ostersonntag, 27. März 2016, im Gulshan-Iqbal-Park in Lahore. Stolz sitzen die Kinder auf den Holzpferden des drehenden Karussells, halten die Händchen in die Höhe und brechen beim Anblick ihrer immer wieder vorbeiziehenden Eltern in Jauchzen aus.

Nichts konnte ihn aufhalten

Ein islamischer Religionslehrer mischt sich mitten unter die wartenden Mütter vor den vorbeikreisenden Pferden. Die Lebensfreude um ihn herum, die wärmenden Sonnenstrahlen im Park, das Lachen der Kinder und die Musik, nichts kann ihn mehr umstimmen. Mitten in der Menge zündet der 28-jährige Muhammad Yousaf Farid eine mehr als 20 Kilo schwere und mit Kugellagern angereicherte Sprengladung.

Zurück bleibt purer Schrecken. Mehr als 70 Menschen, darunter viele Kinder, sind sofort tot. Über 350 Verletzte, zahllose mit schwersten Verstümmelungen, liegen in Blutlachen auf dem Boden.

Schwere Schicksale der Überlebenden

Der 25-jährige Falak Shaer, der vor eineinhalb Monaten geheiratet hatte, hatte seine schwer verletzte Frau Annie noch zu einer nahegelegenen Strasse getragen und ein Taxi angehalten. Dessen Fahrer wollte die beiden verblutenden Menschen zunächst nicht mitnehmen und verstand erst nach einer längeren verzweifelten Konversation, was für eine Katastrophe sich hier abgespielt hatte. Annie starb zwei Stunden später im Spital an ihren Verletzungen, Falak schwebt noch immer in Lebensgefahr.

Das Ehepaar Sonia Mukhtar und Shahid Gulam sind Eltern eines zwei Monate alten Babys. 16 Jahre lang hatten sie auf Nachwuchs gehofft, im Februar 2016 kam der Junge Bill zur Welt. Jetzt werden seine Eltern wohl nie mehr für ihn sorgen können: Sonia erlitt schwerste Rücken- und Hüftverletzungen, Shahid Verstümmelungen an einer Hand. Der kleine Bill blieb wie durch ein Wunder unverletzt.

Der Familienvater Haroon Masih starb, seine Frau Sarah und seine sieben Monate alte Tochter Arisha sowie sein Bruder Shahzad überlebten. Shahzads 28 Jahre alte Frau Saima verlor ihr linkes Auge. Der 24-jährige Qaiser Masih war der einzige Sohn in seiner Familie. Ein Metallsplitter zerstörte ihm das Gehirn. Qaiser liegt im Koma. Seine verwitwete Mutter sitzt am Spitalbett: «Ich hoffe auf ein Wunder», meint sie tapfer.

CSI-Vertreter vor Ort

Pakistanische CSI-Vertreter waren unmittelbar nach dem Anschlag bei den Opfern und ihren Angehörigen. In den bedrückenden Situationen versuchen der lokale Pfarrer Bahir Masih und CSI-Partner Pfarrer Latif Trost zu spenden, akute Bedürfnisse abzuklären und den Opfern und ihren Angehörigen so gut es geht zur Seite zu stehen.

CSI konnte bereits kurz nach dem Anschlag einen ersten Notbetrag von 30’000 Euro zur Verfügung stellen. Mit diesem Betrag wird unter anderem medizinische Hilfe für verletzte Anschlagsopfer finanziert. Ebenso werden Nahrungsmittelpakete verteilt. In manchen Fällen werden finanzielle Beiträge als Überbrückungsgelder für Angehörige und Hinterbliebene ausgezahlt, um ihnen in dieser leidvollen Zeit wenigstens die Sorge des täglichen Überlebens abzunehmen.

«Das gibt uns Kraft»

So besuchte Latif auch Irfan Patras und seine Eltern. Irfans Bruder, der 14-jährige Sharoon, war eines der Opfer. Latif überbrachte ihnen Mittel aus der von CSI unmittelbar nach dem Anschlag bereitgestellten Soforthilfe.

«Ich danke Ihnen und allen, die Sie zu uns geschickt haben», sagte der 15-jährige Abraham Ishaq beim Besuch von Pfarrer Latif. «Wir wissen nicht, warum Terroristen uns das angetan haben. dass es aber Menschen gibt, die uns nicht kennen und trotzdem unseren Schmerz teilen, gibt uns viel Kraft». Abraham hatte die Rickshaw seines Vaters ausgeliehen und war zusammen mit Freunden zum Gulshan-Iqbal-Park gefahren. Ungeachtet seiner Verletzungen brachte er nach dem Anschlag noch alle sicher nach Hause, bevor er bei der Rückkehr zu seiner eigenen Familie wegen Blutverlusts zusammenbrach.

Gunnar Wiebalck, Projektleiter Pakistan