Er verteidigte die Opfer des chinesischen Justizsystems und geriet schließlich selbst in die Mühlen des Polizeiapparates. Seit 2006 wird der christliche Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng unter schlimmsten Bedingungen festgehalten.
Die Geschichte von Gao Zhisheng ist erstaunlich und erschreckend zugleich. Sie beginnt im Bergland der Provinz Shaanxi, tief im chinesischen Inland. Gao wuchs in armen Verhältnissen in einer Höhlenwohnung auf und musste schon in jungen Jahren seinen Lebensunterhalt im Kohlebergbau und als Straßenverkäufer bestreiten. Für Schulbildung blieb weder Geld noch Zeit übrig. Gao jedoch hatte ein gutes Gedächtnis und lernte auf eigene Faust. Obwohl er keine Universitätsbildung besaß, bestand er 1994 das Anwaltsexamen und begann, Menschen zu verteidigen, die sonst keine Chance auf Gerechtigkeit hatten: Opfer von Enteignung, Korruption und der mit aller Härte durchgesetzten Ein-Kind-Politik. Sogar das chinesische Justizministerium erkannte seine Arbeit an und kürte ihn 2001 zu einem von insgesamt zehn «Ehren- Anwälten». Er wurde auch «Chinas Gewissen» genannt. Für seine Menschenrechtsarbeit gewann er internationale Preise und wurde für den Friedensnobelpreis nominiert.
«Der stolzeste Tag meines Lebens»
Dann jedoch begann Gao, Angehörige illegaler Hauskirchen und Falun-Gong-Anhänger (Falun Gong ist eine fernöstliche religiöse Bewegung, die 1999 von der chinesischen Regierung verboten wurde) zu verteidigen und sich für deren Rechte einzusetzen. 2005 trat er schließlich aus der Kommunistischen Partei aus. «Es war der stolzeste Tag meines Lebens», sagte Gao in einem Interview.
Opfer staatlicher Willkür
Seither wird Gao von den chinesischen Behörden massiv verfolgt. Sie entzogen ihm seine Anwaltslizenz und stellten ihn unter Hausarrest. Im Dezember 2006 wurde er wegen «Anstiftung zum Umsturz des Staates» zu drei Jahren Haft verurteilt, die gegen eine fünfjährige Bewährungsfrist ausgesetzt wurden. Während diesen fünf Jahren wurde Gao immer wieder entführt und auf grässliche Weise gefoltert. Auch seine Familie, die oft monatelang nicht wusste, wo er war und ob er überhaupt noch lebte, wurde bedroht und stark unter Druck gesetzt. Im Februar 2009 verschwand Gao spurlos aus seinem Dorf in der Provinz Shaanxi.
Erst im April 2010 bekam seine Familie wieder von ihm zu hören, als er bei einem offensichtlich erzwungenen Auftritt vor den Medien seine Menschenrechtsarbeit widerrief. Daraufhin verschwand er wieder und seine Familie bekam keine Auskunft über seinen Aufenthaltsort. 2009 gelang es Gaos Frau Geng He, mit den beiden Kindern in die USA zu fliehen. Im Dezember 2011 sollte schließlich die Zeit seiner «Bewährungsstrafe» enden. Wenige Tage davor wurde jedoch bekanntgegeben, dass Gao die mit der fünfjährigen Bewährungsfrist verknüpften Auflagen nicht eingehalten habe und er deshalb die drei Jahre Gefängnis absitzen müsse. Er wurde in das weit entfernte Shaya-Gefängnis in Aksu in der Uigurischen Autonomen Provinz Xinjiang gebracht. In den USA, wo sie Asyl bekommen hat, setzt sich Gaos Frau Geng He, ebenfalls Anwältin, für ihren Mann ein. «Ich möchte allen meinen großen Dank aussprechen, die sich bisher für Gao Zhisheng eingesetzt haben», schrieb Geng He im März 2012. Solange Gao jedoch im Gewahrsam der chinesischen Behörden ist, wird sein Leben in Gefahr sein.
Autor: Max-Peter Stüssi
Quellen: Agence France-Presse | Epoch Times | Radio Free Asia | Freedom House