In der umkämpften syrischen Stadt Aleppo bedrohen islamistische Rebellen auch viele Muslime. Die Familie von Fatimah floh deshalb mit ihrer Schwester Mariam an die Mittelmeerküste. Dort werden sie von CSI-Partnerin Schwester Sara und ihrem Team betreut.
Im kriegszerrütteten Syrien sind mehrere Millionen Menschen aus ihrer Heimat geflüchtet. Etwa 700’000 Syrer flohen in die Provinz Tartus mit der gleichnamigen Hafenstadt. Diese wird von der Regierung kontrolliert und gilt als relativ sicher.
Auch die sunnitischen Schwestern Fatimah* und Mariam* leben als intern Vertriebene in dieser Provinz an der Mittelmeerküste. Sie flohen aus ihrer Heimat Aleppo im Juni 2015, Monate bevor die geteilte Stadt wegen der Luftangriffe in die internationalen Schlagzeilen geriet. Während Fatimah mit ihrer Familie flüchtete, harrt Mariams Ehemann immer noch in Aleppo aus.
Auf seiner letzten Syrien-Reise im Dezember 2015 traf John Eibner die beiden Frauen. «Sie machten einen besorgten, aber gefassten Eindruck», erklärt der CSI-Nahost-Projektleiter. Fatimah, die jüngere der beiden Schwestern, sprach mit ihm über ihre Flucht.
Geschäfte geplündert
Die etwa 35-jährige Fatimah wohnte mit ihrer Familie in Salah-el-Din, einem sunnitischen Stadtteil von Aleppo. Wie sie betont, war Aleppo eine Stadt, in der man in Frieden leben konnte. Die Schwierigkeiten begannen im Frühling 2012, als geflohene Sunniten aus Homs und Hama die Stadtbewohner zu gewaltsamen Demonstrationen anstachelten. «Ich sah von meinem Balkon aus, wie die Rebellen auf die Demonstranten schossen, während die syrische Armee lediglich in die Luft schoss und Tränengas einsetzte. Die Rebellen skandierten «Allahu Akbar», plünderten Geschäfte und Spitäler und drohten den Bewohnern mit spürbaren Konsequenzen, wenn sie sich den Protesten nicht anschliessen würden.»
Türkei hilft Extremisten
Mehrmals floh Fatimahs Familie von einem Stadtteil zum anderen. Doch überall, wo sie hinzog, gewannen die Islamisten die Oberhand, sei es die Freie Syrische Armee, die Nusra-Front oder der Islamische Staat (IS). Zuletzt strandete die Familie im Vorort Bustar al-Kasar. Um Brot zu kaufen, musste Fatimah jeweils am Checkpoint der Dschihadisten vorbei. «In den von den Extremisten besetzten Gebieten gab es reichlich Nahrungsmittel aus der Türkei.»
Angst um ihre Kinder
Fatimahs Familie wollte trotz aller Widrigkeiten in Aleppo bleiben. Auch dass es mittlerweile kaum mehr Strom gab und sie Lampen aus Kartoffeln basteln musste, nahm sie in Kauf. Doch nach über drei Jahren Belagerung beschloss die Familie im Juni 2015 schweren Herzens, zusammen mit Fatimahs Schwester Mariam und deren Kindern aus der Stadt zu fliehen. «Die Freie Syrische Armee begann, meinen Sohn zu bedrängen. Er solle doch seine Familie verlassen und sich dafür für gutes Geld den Rebellen anschliessen», nennt Fatimah einen Fluchtgrund.
Dazu kam, dass sie und ihr Mann sich um ihre Töchter Sorgen machten. «Die Rebellen zwangen Mädchen, sie zu heiraten. Wenn sie nur ein Mädchen berührten und dreimal «Allahu Akbar» ausriefen, betrachteten sie das Mädchen als ihre Ehefrau. Unsere Religion ist eine andere als die des IS und der Nusra-Front. Wie können sie im Namen des Islams nur so viel Leid anrichten?»
Die Flucht im Bus dauerte einen Tag und führte an gefährlichen Orten vorbei. In der Provinz Tartus fühlen sie sich nun sicher, obwohl das Leben dort hart ist. Zu neunt müssen sie sich eine winzige Wohnung teilen. Immerhin konnte Fatimahs Mann einen Job in einem Kiosk finden.
«Wir lieben Schwester Sara»
Das Leben an der Mittelmeerküste hat für Fatimah und ihre Familie vor allem dank der Unterstützung durch Schwester Sara und die Peacemakers einen Lichtblick erfahren. Die Unterstützung, die das Team leistet, helfe den beiden Familien, über die Runden zu kommen. Ebenso wichtig seien die Treffen für vertriebene Frauen, die zweimal wöchentlich stattfinden. Dort erhalten sie wertvolle Gedankenanstösse fürs Leben. «An diesen Treffen können wir Frauen frei und offen über unsere Probleme sprechen. Das habe ich vorher noch nie erlebt. Wir lieben Schwester Sara. Sie macht uns so fröhlich und schenkt uns Hoffnung.»
Fatimah und Mariam möchten mit ihren Familien zurück nach Aleppo. Dabei hoffen sie, dass die Russen die Stadt von den Rebellen befreien werden: «Ich liebe meine Heimat. Wir werden Syrien auch deshalb nicht verlassen, weil einer meiner Söhne hier begraben ist», so Fatimah.
Mitte Februar 2016 reiste Fatimah für eine Woche nach Aleppo, um ihre Rückkehr vorzubereiten. «Sie fand ihr Haus zwar im beschädigten, aber bewohnbaren Zustand vor. Sobald die Lage stabil ist, wird sie mit ihrer Familie nach Aleppo zurückkehren», berichtet John Eibner.
Reto Baliarda
Hilfe vor Ort
CSI arbeitet mit der aramäischen Ordensschwester Sara und ihren Peacemakers zusammen. Das Team kümmert sich um mittellose Familien, die ihre Heimat verlassen mussten. So erhalten die Notleidenden u.a. finanzielle Hilfe für eine Unterkunft. Zudem verteilt CSI Lebensmittel und Medikamente und übernimmt bei Notfällen die Arztkosten. Kinder können zur Schule gehen und an Freizeitprogrammen teilnehmen. Workshops und seelsorgerliche Betreuung werden ebenso angeboten.
* Namen geändert