Als vor zwei Jahren Dschihadisten ihre Heimat Sadad überfielen, war Samia tagelang im eigenen Haus eingesperrt. Letzten November wurde ihr Mann bei einem Angriff des IS getötet. Trotz allem möchte die verwitwete Mutter wenn möglich in Sadad bleiben.
Samia* war eine engagierte Lehrerin und glücklich verheiratet. Noch vollkommener schien das Glück, als sie vor zwei Jahren Mutter wurde. Wie hätte sie damals ahnen sollen, dass sie und ihr Mann kurz darauf dem Tod ins Auge sehen würden? Doch genau dies traf ein, als dschihadistische Rebellen Sadad überfielen und das christliche Dorf in ihre Gewalt brachten.
Die Islamisten gehörten zur «Freien Syrischen Armee» und der al-Kaida nahestehenden Al-Nusra-Front. Samia und ihr Mann waren während zehn schrecklichen Tagen in ihren eigenen vier Wänden gefangen. Die islamistischen Kämpfer töteten mehrere Christen, schändeten Kirchen und zerstörten Häuser und Geschäfte von Christen. Schliesslich konnten regimetreue Milizen die marodierenden Rebellen aus Sadad vertreiben.
IS wurde zurückgedrängt
Lange blieb es verhältnismässig ruhig, bis im November 2015 der Islamische Staat (IS) eine Offensive gegen Sadad startete. Samias Mann wurde dabei von einer Mörserbombe getötet. Dass sie selbst vor den IS-Terroristen verschont blieb, ist den regimetreuen Verteidigungskräften von Sadad zu verdanken. Ihnen gelang es, ohne Luftunterstützung die IS-Terroristen zwei Kilometer vor Sadad zu stoppen. Dazu CSI-Nahost-Projektleiter John Eibner: «Dieser Erfolg gab ihnen Zuversicht, dass sie ihr Städtchen verteidigen können.»
Auch Samia, die mittlerweile zweifache Mutter ist, möchte ihre Zuversicht nicht verlieren. Doch das Leben in ihrer Heimat ist für sie eine riesige Herausforderung. Sadad, das in der Nähe der Hauptachse zwischen Damaskus und Homs liegt, war einst ein blühendes Dorf mit über 6000 Einwohnern. Heute ist Sadad ein heruntergekommener Ort: Strom gibt es nur wenige Stunden pro Tag. Warmes Wasser ist Luxus. Die Preise explodieren. Die Sanktionen der USA und deren Verbündeten lasten schwer auf der Dorfbevölkerung, deren Zahl rasant abnimmt.
Die wirtschaftlichen Ängste sind das eine. Immerhin wird Samia von Angehörigen ihrer Familie unterstützt. Vielmehr Sorgen bereiten ihr die Islamisten. Natürlich sei sie erleichtert, dass sie zurückgedrängt werden konnten. «Doch was, wenn die Islamisten Sadad plötzlich doch einnehmen?»
Sadad ist Samias Heimat und seit über 1000 Jahren auch jene ihrer Vorfahren. Der Druck zu fliehen ist bei ihr gross geworden. Doch sie liebt ihr Dorf, möchte – wenn möglich – hier bleiben und ihre Kinder hier grossziehen. Gleichwohl ist sie hin- und hergerissen.
Reto Baliarda
* Namen geändert