Weltweit verzeichnet Indien die höchste Rate im Menschenhandel. Man rechnet mit etwa 400.000 Kindern und Jugendlichen, die jährlich verschwinden. Unermüdlich setzen sich unsere Partner vor Ort für den Schutz von Opfern ein.
Die unvorstellbare Anzahl der Opfer von Menschenhandel ist mit 27 Millionen Opfern weltweit erschlagend. Indien gilt dabei als Hauptquellenland für den Menschenhandel.
CSI hat in Juristin Singh eine unermüdliche und engagierte Partnerin mit großem Wissen und einem tollen Team gefunden. Seit anfang 2013 setzt sich CSI mit diesem Team im indischen Bundesstaat Jharkhand gegen den Menschenhandel ein. Dort werden jährlich 33.000 vorwiegend junge Menschen Opfer dieses grausamen Geschäfts. Mit intensiver Präventionsarbeit, Befreiungsaktionen sowie Rehabilitation und Anwaltschaft werden Menschen vor dieser skrupellosen Ausbeutung geschützt.
Von Bekannten verführt
Eine von ihnen ist Shoba, heute 14-jährig. Sie lebte in ärmlichsten Verhältnissen in einem sehr abgelegenen Gebiet in Jharkhand. Ihr Vater war Alkoholiker, die Mutter meistens weg, um etwas Geld für die Familie aufzubringen. In dieser schutzlosen Situation sind unzählige Kinder und Jugendliche weltweit eine leichte Beute für Menschenhändler. Leider sind es oft Bekannte oder Familienangehörige, die dies ausnützen. So bot eines Tages eine Bekannte von Shoba ihr einen Job in Delhi an. Die Eltern liessen sie gehen, in der Hoffnung, so zu etwas Geld zu kommen.
Unwissenheit wird ausgenutzt
Doch die Realität dieser Reise holte Shoba schnell ein. Kaum waren sie in Delhi, wurde sie von der Bekannten an fremde Männer übergeben. Drei Tage wurde sie eingesperrt und mehrmals vergewaltigt. «Ich war zutiefst schockiert, ich wusste nicht, wie mir geschah». Danach wurde sie nach Mumbai zu einer Familie gebracht, wo sie als Haushälterin täglich von 6 Uhr bis Mitternacht arbeiten musste. Die Gefangenschaft war ein reiner Albtraum. Regelmäßig wurde sie – wie so viele Haushaltshilfen in Indien – sexuell missbraucht und gequält. Voller Verzweiflung versuchte Shobas Mutter, ihre Tochter zu finden. Aber wo suchen, wenn man keine Ahnung hat, wo sie sein könnte?
Ein Albtraum geht zu Ende
Eines Tages hörte eine Bekannte der Mutter von der Arbeit der CSI-Partner. Sie setzten das gut organisierte Netzwerk in Bewegung. Shoba wurde nach zwei Jahren aus dem Albtraum befreit. Sie kam endlich nach Hause und war so erst einmal in Sicherheit. Doch die zwei Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Shoba hat eine traumatische Vergangenheit, die sie nun schrittweise verarbeiten muss. Aber auch in ihrem Dorf fühlte sie sich nicht mehr wohl. Von vielen wurde sie abgewiesen, denn ein vergewaltigtes Mädchen gilt in der indischen Kultur oft als Schande. Die Familie hat nun entschieden, in eine andere Gegend zu ziehen. Dort hat sie als Tagelöhner etwas Arbeit gefunden. Das brutale Verhalten der Arbeitgeber hat viel mit der indischen Kultur zu tun. Die Bevölkerung ist stark geprägt vom Kastensystem. Zwar wurde dieses 1950 in der Verfassung abgeschafft, doch die indische Gesellschaft funktioniert noch stark in diesen Strukturen. Sobald jemand einer höheren Kaste als sein Angestellter angehört, hat er «das Recht», ihn wie einen Sklaven zu behandeln.
25 Jahre gefangen
Dass die Inder der unteren Kaste häufig abschätzig behandelt werden, zeigt sich auch am Beispiel der beiden befreiten Mädchen Sunita und Silvanti. Sie wurden als 8-jährige auf ihrem Schulweg entführt und als Haushälterinnen in einem entfernten Gebiet gefangen gehalten. Sie hatten während dieser Zeit keinen Kontakt zur Außenwelt. Die Eltern wussten zwar, wo sie sich befanden, doch die Polizei blieb untätig. Als Angehörige der untersten Kaste hatten die Eltern der beiden Mädchen keine Chance, von der Polizei Hilfe zu erhalten.
Bedeutung der Selbsthilfegruppen
Dank der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe, die von unseren Partnern geleitet wird, hörten die beiden Mütter von der Befreiungsarbeit der CSI-Partner. Mit großem Engagement konnten auch hier beide Frauen, die 25 Jahre gefangen gehalten wurden, befreit werden. Anfangs war es für sie sehr schwierig, sich wieder in ihrem Dorf zurechtzufinden. Sie galten als Fremde und mussten lernen, sich in ein «normales» Leben einzuleben.
Inzwischen sind sie glücklicherweise in ihrem Umfeld wieder voll integriert. Kommt dazu, dass nun beide bald heiraten werden. Trotz ihrer Vergangenheit freuen sich die Männer auf ihre Bräute, was nicht selbstverständlich ist. Denn in der indischen Kultur haben Frauen mit einer derartigen Vergangenheit kaum eine Chance, jemals einen Mann zu finden. Und ohne Männer gelten Frauen in der indischen Gesellschaft oft als Freiwild.
Dank dem Einsatz der CSI-Partner wurden bereits über 60 Menschen aus teils schrecklichen Situationen befreit, in die sie durch den Menschenhandel gebracht worden waren. Weitere ehemals Betroffene erleben in Rehabilitationszentren eine langsame Genesung ihrer Traumata. Besonderer Einsatz wird aber auch in der Prävention geleistet, um über die Praktiken von Menschenhändlern zu informieren und potenzielle Opfer davor zu bewahren, in die Klauen von Menschenhändlern zu geraten.