Bericht: Koptische Frauen im Visier von Islamisten

Seit über 13 Jahren dokumentiert CSI mit wissenschaftlicher Methodik die systematische Verfolgung christlicher Frauen in Ägypten durch Islamisten. Im Januar stellte das Hilfswerk ACN einen Bericht vor, der dieses Phänomen weiter beleuchtet. Recherchen von CSI waren grundlegend. CSI interviewte Co-Autorin Prof. Michelle Clark.

Sehr geehrte Frau Prof. Clark, im Januar haben Sie mit ACN/Kirche in Not den viel beachteten Bericht „Hört ihre Schreie“ über christliche Frauen und Mädchen veröffentlicht, die von Islamisten angegriffen werden. Wie kam es zu Ihrem Interesse an diesem Phänomen?

Prof. Michelle Clark

Prof. Clark: Bitte beachten Sie, dass der ACN-Bericht „Hört ihre Schreie“ von dieser Organisation recherchiert, geschrieben und veröffentlicht wurde. Sie stützten sich dabei auf meine Recherchen für CSI, für die sie in ihrer Arbeit gebührende Anerkennung zollten, aber weder ich noch Nadia waren in irgendeiner Weise aktiv beteiligt. Ich war sehr dankbar, dass sie die Rolle der beiden CSI-Berichte in ihrer Arbeit anerkannt haben, und mich einluden, bei ihrer Präsentation zu sprechen, weil dies die CSI-Arbeit bewahrt und sie in die nächste Generation weiterreicht.

Sie haben Ihren Bericht für CSI mit Nadia Ghaly aus dem Jahr 2009 über koptische Frauen erwähnt, die unter Entführung, Zwangskonvertierung und Zwangsheirat leiden. Warum war dieser Bericht damals so wichtig und was war neu an seinen Methoden?

Prof. Clark: Es gab zwei Berichte – einen im Jahr 2009 und den anderen im Jahr 2011. Beide wurden von Dr. John Eibner beauftragt, um auf ein Arbeitsfeld von entscheidender Bedeutung für CSI aufmerksam zu machen. Diese Berichte waren wichtig, weil mit ihnen erstmals das Problem des Verschwindens, der Entführungen, der Zwangsbekehrungen und der Zwangsheirat koptischer Frauen in Ägypten durch einen formalen Forschungsrahmen angegangen wurde. Vor der Veröffentlichung dieser Berichte wurden Fälle von Entführungen, Verschwindens, Zwangsbekehrungen und Zwangsheiraten junger koptischer christlicher Frauen als „mutmaßlich“, „gemeldet“ oder „unbestätigt“ bezeichnet. Es war unsere Absicht, diese Sprachregelung, die den Wahrheitsgehalt der Berichte und der Vorfälle selbst untergrub, zu verändern.

Frau Ghaly und ich reisten zweimal nach Ägypten, ungefähr zwei Wochen am Stück. Formelle Interviews wurden geführt mit einem Querschnitt junger koptischer Frauen, die von einer Zwangsheirat zurückgekehrt waren, mit Familienmitgliedern junger Frauen, die nie zurückgekehrt waren, mit Menschenrechtsanwälten und mit Mitgliedern des koptischen Klerus. Bis zu den Berichten von CSI stammten die meisten Beweise im Zusammenhang mit dem Problem des Verschwindens und der Entführungen aus anekdotischen Erzählungen. Wir erstellten erstmals Berichte, die Primärdaten sammelten und analysierten. Die Mainstream-Medien haben wenig Interesse gezeigt, über diese Geschichten zu berichten.

Was war das Ergebnis Ihrer Forschungsarbeit? Hat die Gewalt gegen koptische Frauen einen soziologischen oder religiösen Hintergrund?

Prof. Clark: Es ist nicht immer einfach, die Ergebnisse der Arbeit in diesem Bereich zu bestimmen, wie Sie wissen. Wir können auf zwei konkrete Ergebnisse verweisen, die ich für bedeutsam halte.

Das erste Ergebnis ist, dass jeder unserer Berichte zu einer öffentlichen Kongressanhörung vor der Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit (Helsinki-Kommission) im US-Kongress führte. Diese sind jetzt öffentlich bekannt und erkennen das Interesse der US-Regierung an dem Thema an. 

Der zweite Wirkungsbereich ist die Verwendung von Terminologie und Sprache. Wie ich in meiner Antwort auf Frage 2 feststellte, wurden Vorfälle des Verschwindens, Entführungen, Zwangsbekehrungen und Zwangsheiraten in Berichten der US-Regierung zunächst als „Anschuldigungen“ bezeichnet, was Zweifel an der Echtheit der Behauptungen aufkommen ließ. Während meiner zu Protokoll gegebenen Bemerkungen bat ich auf der Grundlage unserer Ergebnisse darum, dass der vage Begriff „Anschuldigung“ aus allen weiteren Berichten der US-Regierung entfernt wird, und dies wurde erreicht.

Auch die Bereitschaft der US-Regierung, die Angst vor Entführung als legitimen Asylgrund zu betrachten, ist gestiegen.  Ich wurde gebeten, in einer Reihe von Asylanhörungen sachverständige Aussagen zu machen. Allen diesen Petitionen wurde stattgegeben. Ich kann nicht abschließend sagen, dass unsere Berichte dies möglich gemacht haben, aber ich möchte glauben, dass sie dazu beigetragen haben, die Einwanderungsbehörden von der Realität der Bedrohungen zu überzeugen.

Die Angriffe auf junge koptische Frauen sind also nicht nur das Ergebnis von Zufall oder Gefühlsausbrüchen?

Prof. Clark: Wenn Sie fragen, ob koptische Frauen gezielt ins Visier genommen werden, dann ist die Antwort ja. Was wir erleben, ist eine organisierte und systematische Anstrengung, die Zahl der Christen zu reduzieren.

Wenn junge Frauen gewaltsam zum Islam konvertiert werden, werden alle ihre zukünftigen Kinder nach islamischem Recht Muslime sein. Man reduziert so effektiv die christliche Bevölkerung, indem man die Geburt christlicher Babys verhindert.

Sie haben in Ihrer Studie für ACN eine echte Strategie hinter diesen Angriffen beobachtet. Welche ist das und welche Länder sind am meisten davon betroffen?

Prof. Clark: Ich kann nur zu dem sprechen, was ich in Ägypten recherchiert habe, wo junge Frauen im gebärfähigen Alter ins Visier genommen werden. Wenn diese nicht mehr in der Lage sind, christliche Babys zur Welt zu bringen, verhindert man das Wachstum des Christentums.

Haben Sie eine besondere Bedrohungslage für junge Mütter beobachtet?

Prof. Clark: In unserem zweiten Bericht konnten wir dokumentieren, dass auch Mütter ins Visier genommen wurden. Das war eine neue Erkenntnis für uns. 

Am 8. September 2021 behauptete Bischof Joseph Kallarangatt von der Diözese Palai in Indien, dass es eine Form des „Liebes-Dschihad“ gibt, die sich gegen nicht-muslimische Mädchen richtet. Kallarangatts Äußerungen wurden sofort und allgemein verurteilt. Konnten Sie jemals diesen „Liebes-Dschihad“ beobachten?

Prof. Clark: „Love Jihad“ ist ein Begriff, der verwendet wird, um Gewalt gegen nicht-muslimische Mädchen in Indien zu definieren. Der Begriff wird in Ägypten nicht verwendet.

Ich kann Ihnen jedoch sagen, dass einer der Gründe, warum Behauptungen junger Frauen nicht ernst genommen werden, darin besteht, dass angenommen wird, dass die jungen Frauen auf der Suche nach Abenteuern und einer guten Zeit seien, einen Freund haben wollen und vielleicht beabsichtigten, schwierigen Situationen im Elternhaus zu entkommen. In einem meiner Berichte habe ich dies mit dem verglichen, was die Anti-Menschenhandelsgemeinschaft als „Lover Boy“ -Ansatz anerkannt hat. Junge Frauen werden angegrigffen, weil sie verletzlich sind. Sie wollen vielleicht einen Freund, und sie versuchen vielleicht, einem schwierigen familiären Umfeld zu entkommen. Sie haben aber NIE einer Zwangsheirat und Konversion oder einem Leben häuslicher emotionaler und körperlicher Misshandlung zugestimmt. Die internationalen Gesetze und Konventionen zum Menschenhandel erkennen an, dass, wenn die Anwendung von Gewalt oder Täuschung an der Schaffung einer Beziehung zu einem jungen Mädchen beteiligt war, die Zustimmung nicht relevant ist.

Wie gehen christliche Familienväter und betroffene Gemeinden mit der zunehmenden Gewalt gegen ihre Töchter um?

Prof. Clark: Ich weiß, dass in Ägypten Mitglieder des koptischen Klerus darüber besorgt sind. Einige haben Unterkünfte für junge Frauen eingerichtet, die zurückkehren konnten und von ihren Familien nicht aufgenommen wurden. Es muss jedoch noch mehr getan werden, um die Art und Weise zu ändern, wie die Kirche selbst diese jungen Damen behandelt. Junge Frauen, die  in der Lage sind, zu ihren Familien zurückzukehren, tragen ein großes Gefühl der Scham und Schande mit sich. Es ist wichtig, dass die Gemeinschaft erkennt, dass das, was diesen Mädchen passiert ist, NICHT ihre Schuld ist. Familien erleben die gleiche Scham. Die kann sie davon abhalten, sich öffentlich zu äußern. Das isoliert ihre Töchter und oft die ganze Familie von der Gemeinde. 

CSI befreit christliche Mädchen und Frauen in Asien und Afrika, die versklavt, gewaltsam zum Islam konvertiert und missbraucht wurden. Was sollten wir in Deutschland noch tun, um dem Leid christlicher Mädchen und Frauen in diesen Teilen der Welt ein Ende zu setzen?

Prof. Clark: Es ist sehr schwierig, sich in geschlossenen islamischen Ländern einzumischen, in denen das islamische Recht soziale und religiöse Interaktionen definiert, obwohl ich glaube, dass öffentlicher Druck wichtig ist. Die Zusammenarbeit mit Kopten in Deutschland ist wichtig, denn ihre Unterstützung ist unerlässlich dafür zu sorgen, dass die Bundesregierung die Angst vor Entführungen und Zwangsbekehrungen als echte Bedrohungen anerkennt, die einen Asylgrund darstellen würden. Und schließlich wird es auch einen Unterschied machen, die Medien über das Thema aufzuklären, damit sie eine umfassendere Berichterstattung bieten.

Übersetzung aus dem Englischen: Noemi Johler