Die meisten Flüchtlinge aus Mosul und Umgebung leben seit über zwei Jahren im irakischen Kurdengebiet. Vor kurzem wurden viele Dörfer zurückerobert. John Eibner war im Dezember 2016 vor Ort und berichtet über die aktuelle Lage.
Ich habe Karakosch vor dem Einfall des Islamischen Staats 2014 viele Male besucht. Es war eine blühende Stadt mit etwa 50 000 Einwohnern. Karakosch war ein Zufluchtsort: Christen aus Bagdad und Mosul flüchteten vor dem islamistischen Terror hierher. Was für ein Unterschied zur heutigen Situation!
Vom Zufluchtsort zur Geisterstadt
Es war schockierend, den Zustand der Stadt zu sehen: Die Straßen sind praktisch menschenleer, von den Läden ist kaum etwas übrig geblieben. Die meisten Kirchen und Häuser sind beschädigt, die einen wegen Bränden, andere wegen Plünderungen oder Luftangriffen. Das einst so geschäftige Karakosch ist zu einer Geisterstadt verkommen und es gibt keine Anzeichen, dass sich das so bald ändern wird.
Die Flüchtlinge aus Karakosch äußern sich zurückhaltend, was eine Rückkehr betrifft. Es ist nicht nur das Ausmaß der Zerstörung, die beschädigte Infrastruktur und fehlende wirtschaftliche Perspektiven, die sie zögern lassen, sondern auch fehlende Sicherheitsgarantien und die Furcht, dass sie in ein, zwei oder fünf Jahren erneut vertrieben werden könnten.
Karakosch noch nicht «befreit»
Der Islamische Staat ist zwar verschwunden, aber Karakosch wird nicht von Christen regiert. Die Stadt steht nun unter der Kontrolle von schiitischen Milizen und Einheiten der irakischen Armee. Eine Vielzahl von Fahnen mit Ali, den die schiitischen Muslime als legitimen Nachfolger ihres Propheten Mohammed verehren, schmücken die religiös gesäuberte christliche Stadt. Es ist völlig unklar, ob die Schiiten den christlichen Charakter Karakoschs bewahren oder ob sie ihre Stärke nutzen werden, um die Bevölkerungsverhältnisse zu verändern.
Die schiitisch dominierte Regierung in Bagdad und der verbündete Iran haben ein Interesse daran, den sogenannten schiitischen Halbmond zu stärken. Man befürchtet, dass die verlassenen Grundstücke in Karakosch nicht von zurückkehrenden christlichen Familien bewohnt werden, sondern von schiitischen Neuzuzügern. Einige Häuser wurden verbrannt, nachdem der Islamische Staat vertrieben wurde – gemäß Gerüchten von schiitischen Milizionären. Viele Christen sehen darin ein Zeichen, dass man sie von einer Rückkehr abhalten will. Vor einigen Jahren brach im benachbarten Bartella Gewalt zwischen Schiiten und Christen aus.
Auch wenn der Islamische Staat vertrieben wurde – es ist verfrüht, von der «Befreiung» von Karakosch zu sprechen. Wirklich befreit ist Karakosch erst dann, wenn die alteingesessenen christlichen Einwohner in ihre Häuser zurückkehren und in Frieden und Sicherheit leben können.
John Eibner
Videos auf Englisch
John Eibner und CSI-Partner Pascale Warda erklären, unter welchen Bedingungen die vertriebenen Christen wieder in ihre Heimat zurückkehren können.
John Eibner und CSI-Partner William Warda erläutern, wie die vertriebenen Christen eine Chance auf die Rückkehr in ihre Heimat sehen.