Algerien: Religionsfreiheit eingeschränkt

In Algerien gehen die Behörden immer stärker gegen Christen und ihre Gottesdienste vor. So wurden bereits Kirchen geschlossen und Kirchenführer strafrechtlich verfolgt. Aktuell wurde ein hochrangiger protestantischer Pastor zu einer Haftstrafe verurteilt.

Pastor Youssef Ourahmane (Titelbild) hat einen Berufungsprozess verloren, mit dem er eine einjährige Haftstrafe wegen Abhaltung eines „nicht genehmigten“ Gottesdienstes aufheben lassen wollte. Seit 2017 läuft in Algerien eine offizielle Kampagne mit dem Ziel, protestantische Kirchen zu schließen und Kirchenleiter zu verfolgen. Die strafrechtliche Verfolgung von Ourahmane stellt eine erneute Eskalation dar. Ourahmane ist Vizepräsident der Protestantischen Kirche von Algerien (EPA), einer Vereinigung von mehr als 40 protestantischen Kirchen.

In dem am 2. Mai 2024 verkündeten Urteil bestätigte das Berufungsgericht von Tizi Ouzou die im November letzten Jahres verhängte einjährige Haftstrafe und die Geldstrafe von 100.000 Dinar (etwa 735 US-Dollar) und fügte zusätzlich eine sechsmonatige Bewährungsstrafe hinzu, wie Middle East Concern berichtet. 

Die Verordnung 06-03 aus dem Jahr 2006 regelt die nicht-muslimische Religionsausübung. Auf zwei Artikel dieser Verordnung bezog sich die Anklage: Abhalten einer nicht genehmigten religiösen Versammlung und Abhalten von Gottesdiensten in einem Gebäude, das für diesen Zweck nicht zugelassen ist.

Die Ermittlungen gegen den Pastor begannen im März 2023 als Ourahmane in einem Kirchenkomplex eine dreitägige Versammlung für eine kleine Anzahl christlicher Familien abhielt. Die Polizei hatte das Kirchengebäude im Jahr 2019 auf Anordnung des Provinzgouverneurs versiegelt.

Dutzende Christen strafrechtlich verfolgt

In einer mündlichen Erklärung vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf am 20. März forderte die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) Algerien auf, die Verurteilungen einzelner Christen aufzuheben, darunter auch die von Pastor Ourahmane.

Nach Angaben der WEA, deren Mitglied das EPA ist, wurden seit Dezember 2020 mindestens 52 Christen in Algerien wegen der friedlichen Ausübung des christlichen Glaubens verfolgt. Die Hälfte davon fand in den 15 Monaten bis März 2024 statt.

Die WEA forderte Algerien außerdem auf, den Rechtsrahmen, insbesondere die Verordnung 06-03, mit Artikel 18 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) in Einklang zu bringen. 

Die Verordnung von 2006 erkennt zwar andere Glaubensrichtungen an, unterstreicht aber den Vorrang des Islam als Staatsreligion. In Algerien sind 99 Prozent der 44 Millionen Einwohner sunnitische Muslime. Die Zahl der Christen wird auf 20.000 bis 200.000 geschätzt. Zu den Christen in Algerien gehören Katholiken, Protestanten und Kopten.

Anstieg der Konversionen

Nach Angaben des European Centre for Law & Justice (ECLJ) zielt die Verordnung 06-03 in erster Linie darauf ab, die seit Anfang der 2000er Jahre zunehmenden Konversionen zum Christentum einzuschränken.

Nach der Verordnung von 2006 ist es verboten, „einen Muslim zu einer anderen Religion zu bekehren“ oder gar „den Glauben eines Muslims zu untergraben“. Jeder, der „gedruckte Dokumente oder audiovisuelles Material“ mit Bezug zum Christentum herstellt, aufbewahrt oder verbreitet, wird mit einer Freiheitsstrafe von zwei bis fünf Jahren bestraft. 

Das macht selbst die Existenz eines christlichen Buchladens unmöglich, wie Rachid Seighir zu seinem Leidwesen feststellen musste. Der Pastor wurde 2021 zu einer Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe verurteilt, weil er durch den Verkauf christlicher Literatur den Glauben von Muslimen „erschüttert“ haben soll.

43 Kirchen geschlossen

Ein Mittel, mit dem Algerien die Kirche kontrolliert, ist die Vorschrift, dass Gotteshäuser offiziell anerkannt sein müssen.

Infolgedessen sind die algerischen Christen gezwungen, entweder Kirchen ohne formelle Genehmigung zu bauen, die sich oft verzögert, oder private Gebäude zu nutzen, die für andere Zwecke vorgesehen sind. In beiden Fällen riskieren sie die gewaltsame Schließung. 

Seit 2018 wurden mindestens 43 Kirchen aufgrund der „systematischen Kampagne der Behörden zur Schließung protestantischer Kirchen“ geschlossen, so die WEA. 

Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte äußerte im Juli 2023 gegenüber Algerien seine Besorgnis über die Diskriminierung religiöser Minderheiten und die Schließung nicht-muslimischer Gebetsstätten, „obwohl die Freiheit der Religionsausübung und der Religion in der neuen Verfassung verankert ist“.