Anhaltende Landflucht von Dschihad-Opfern

Der Norden Nigerias ist im Würgegriff des islamistischen Dschihads. Zehntausende von Menschen fliehen aus ihren Dörfern und suchen Schutz in Großstädten. Zwei Überlebende berichten, wie sie dem Boko Haram-Terror entkommen sind. In Maiduguri werden sie von CSI unterstützt.

Während Boko Haram vor allem im Nordosten sein Unwesen treibt, kommt es in anderen Gebieten im Nordwesten und im Zentrum Nigerias seit Jahren immer wieder zu Angriffen auf Dörfer durch Kräfte, die nicht zu Boko Haram gehören. Als Täter gelten Stammesangehörige der Fulani, eines muslimischen Hirtenvolkes. Offenbar ist es Islamisten in Nigeria gelungen, das ethnische, soziale und religiöse Konfliktpotential zwischen Fulani und Ansässigen auszunutzen, um islamistische Terrorgruppen aufzubauen.

300’000 Vertriebene

Nach Angaben von Danjuma La’ah, Senator für den südlichen Teil des Bundesstaats Kaduna, sind bei diesen Überfällen in den letzten vier Jahren mehr als 10 000 Menschen umgebracht und über 300’000 vertrieben worden.

Neben dem Terror von Boko Haram finden die Übergriffe durch die Fulani praktisch kaum den Weg in die Schlagzeilen. Dabei ist die Taktik grundsätzlich ähnlich und scheint darauf abzuzielen, insbesondere abgelegene Dörfer mit mehrheitlich christlicher Bevölkerung zu attackieren. Viele Menschen suchten in den letzten Monaten Zuflucht in gros­sen Städten wie Kafanchan oder in Maiduguri. Zwar ist es auch dort gefährlich. Fast täglich erschüttern kleinere und grössere Boko Haram-Anschläge Marktplätze, Bushaltestellen und staatliche Einrichtungen. Doch durch die Anonymität sowie die Präsenz von Militär und Sicherheitskräften besteht wenigstens eine gewisser Schutz.

Zweimal entkommen

Mit lokalen Kirchen vor Ort hilft CSI Flüchtlingen in den grossen Städten, wie z. B. Adarju Kamba. Mit ihren vier Kindern musste sie aus ihrem Heimatdorf Izge fliehen, als dieses von den Boko Haram-Islamisten angegriffen wurde. Sie berichtet:

«Unsere Tortur begann im Oktober 2013. Bewaffnete Terroristen stürmten unser Dorf und schossen auf jeden, den sie sahen. Sie töteten überwiegend Männer, plünderten die Häuser und brannten sie nieder. Mein Ehemann konnte mit uns nach Wuragandi (Bundesstaat Adamawa) fliehen. Wir blieben dort bei seinen Verwandten.

Es blieb einige Monate ruhig, bis im September 2014 auch Wuragandi überfallen wurde. Wieder kamen viele junge Männer auf brutale Weise um oder wurden gefangen genommen. Ich konnte mit meinen Kindern erneut dem Terror entrinnen. Von meinem Mann fehlt seitdem jedoch jede Spur.

Wir fanden Zuflucht in der Grossstadt, zuerst in Yola und schliesslich in Maiduguri. Zusammen mit meinen Kindern wohne ich heute in einem Flüchtlingscamp mit 3000 weiteren Geflohenen.

Kinder sind selten in der Schule

Immer wieder kämpfe ich im Flüchtlingslager mit neuen Herausforderungen. Die Sorge um die Nahrung begleitet mich fast jeden Tag. Zudem können meine Kinder nur selten die Schule besuchen. Ich bin daher für jede Unterstützung von Kirchen oder Organisationen unendlich dankbar.

Was mich am meisten beunruhigt, ist, dass ich bis heute kein Lebenszeichen von meinem Mann erhalten habe. Es ist mein innigstes Gebetsanliegen, dass ich ihn wiederfinde. Genauso bete ich dafür, dass Frieden in unser Land einkehrt. Möge Gott die Herzen der Boko Haram-Dschihadisten berühren.»

«Ich konnte mich jedes Mal verstecken»

David Apagu aus Yaffa floh mit seiner Familie ebenso vor den Islamisten. Er erinnert sich:
«Es begann im Oktober 2014, als Boko Haram-Angreifer für die Zwangsrekrutierung in unser Dorf kamen. Dreimal drangen sie in mein Haus ein. Doch ich konnte mich jedes Mal verstecken. Nach ihrem dritten Auftauchen beschloss ich, zu fliehen. Zusammen mit meiner Frau, meinen sieben Kindern sowie meiner Mutter und Tante floh ich nach Uba. Wir waren kaum eine Woche dort, als Boko Haram auch dieses Dorf nach neuen Männern absuchte. So zogen wir nach Maiduguri. Meine Mutter überlebte die Strapazen der gefährlichen Reise nicht.

Nun leben wir in einem Wellblechhaus in Maiduguri. Die Lebensbedingungen sind erbärmlich, jedoch besser als im Flüchtlingslager. Wegen der engen Platzverhältnisse in unserem Haus können nur zwei Kinder bei uns wohnen. Zwei weitere Kinder leben bei einer jüngeren Schwester von mir. Bei einer anderen Schwester konnte ich ebenfalls zwei Kinder unterbringen. Ein Kind wohnt bei einem Freund von uns.

Einige Flüchtlinge hier sind in ihre Dörfer zurückgekehrt, um dort wieder ihre Existenz aufzubauen. Sie erzählten mir, dass mein Haus niedergebrannt wurde. Wir können nicht zurück und sind hier abhängig von der Hilfe und Güte unserer Brüder und Schwestern sowie von der Unterstützung der Kirchen. Wir danken Gott immer wieder von neuem dafür und beten für unsere Wohltäter.»

Reto Baliarda

 


Was CSI tut

CSI unterstützt die Terroropfer in Kafanchan (Kaduna) und in Maiduguri (Borno), oder in Mubi im angrenzenden Bundesstaat Adamawa. Betroffene werden medizinisch betreut und erhalten Nahrungsmittel oder Baumaterial für eine Unterkunft. Den Flüchtlingskindern wird der Schulbesuch oder eine weiterführende Ausbildung ermöglicht. Um den Dschihad-Opfern zu helfen, arbeitet CSI mit ihren Partnern vor Ort, der katholischen Diözese von Kafanchan und Maiduguri, zusammen.


Weiterer Bericht:
Boko Haram-Flüchtlinge sind vielerorts auf Hilfe angewiesen.