In Indien ist der Verkauf von Menschen in die Arbeitssklaverei oder in die Prostitution ein verbreitetes Phänomen. CSI stemmt sich dagegen und organisiert mit lokalen Partnern Aufklärungskampagnen und leitet Befreiungsaktionen ein.
Jharkhand zählt zu den ärmsten Regionen Indiens. Die Volkszählung von 2011 zeigte, dass mehr als 67 Prozent der 33 Millionen Einwohner dieses Bundesstaats weder lesen noch schreiben können. Dies dürfte heute kaum anders sein.
In Jharkhand gibt es Distrikte mit einem beachtlichen Anteil an Christen, zum Beispiel Simdega, Gumla oder Khunti. Es gibt auch Gebiete mit starker muslimischer Präsenz, und überall lebt dort eine bedeutende Minderheit, die nicht hinduistisch glaubt, sondern einer Naturreligion folgt. Was sie alle eint, ist die Armut.
Ein Teufelskreis
Die Perspektivlosigkeit weckt das Monster des Menschenhandels. Jede Woche werden in Jharkhand fünf – meist minderjährige Mädchen oder Jungen – verschleppt, versklavt und missbraucht. Die Mehrheit der Opfer sind Christen. Das bestätigte die CSI-Projektpartnerin Parul Singh (Name geändert).
Parul ist Juristin und erklärt, dass das indische Recht den Menschenhandel verbietet. Tätern drohen jahrelange Haftstrafen bis zu lebenslänglich.
„Die Menschenhändler sind oft Frauen, ehemalige Betroffene, die selbst in die Kinderprostitution gezwungen wurden.“
Die Regierung betreibt ein Internetportal, das sich der Bekämpfung des Menschenhandels widmet. Das Ministerium für Arbeit schaltet regelmäßig Inserate gegen Kinderarbeit in nationalen Zeitungen. Viel ändert sich dadurch nicht. Nach Schätzungen sind es viele Millionen junge Menschen, die in Indien als Sex- oder Arbeitssklaven ausgebeutet und missbraucht werden.
Es ist ein Teufelskreis: Die Menschenhändler sind oft Frauen, ehemalige Betroffene, die selbst in die Kinderprostitution gezwungen wurden. Als Erwachsene nutzen sie ihre Beziehungen, um in ihren Heimatdörfern wiederum Mädchen zu rekrutieren.
Treffen mit Geretteten
CSI besuchte vor einigen Wochen einen besonders ländlichen Teil von Jharkhand. Das Gesundheitswesen funktioniert dort nur schlecht. Noch immer wütet die Tuberkulose. Das Trinkwasser erfüllt in manchen Gegenden die Qualitätsanforderungen der WHO nicht. Kinder spielen auf Müllbergen.
Im Kontrast dazu steht das helle Gebäude eines christlichen Internats, das das Ziel der CSI-Mitarbeiter ist, die dort zwei Mädchen begegnen: Devakani Kumari (17) und Bachni Kumar (18). Beide sind Opfer von Menschenhändlern und konnten erst vor kurzem von Spezialisten der CSI-Partner befreit werden. Das Gesicht unter einem gelben Tuch versteckt, erzählt Devakani, die aus einfachsten Verhältnissen stammt, was ihr passiert ist.
Ahnungslos mitgegangen
„Eines Tages sprach uns vor der Schule eine Bekannte aus dem Dorf an. Sie malte uns in den schönsten Farben aus, dass sie uns in Delhi eine bessere Ausbildung und später einen Job ermöglichen könne.“ Geblendet von dieser Aussicht, schenkten sie der Frau Vertrauen. Völlig ahnungslos und ohne die Eltern zu informieren, fuhren die Mädchen mit ihr in die Stadt.
Von da an war Schluss mit freundlichen Worten. Bevor man sie in ein Zimmer einsperrt, werden ihnen Identitätsausweis, Handys und weitere persönliche Dinge abgenommen. Die Falle schnappte zu. Die Mädchen wurden betrogen und wie Ware verkauft.
„Pro Jahr befreien die lokalen CSI-Mitarbeiter durchschnittlich 100 Opfer aus den Fängen des Menschenhandels.“
Devakani und Bachni werden in verschiedene Haushalte gebracht. Hier müssen sie unter schlimmen Bedingungen arbeiten – praktisch pausenlos und ohne Lohn. Sie beginnen sich zu wehren, verweigern die Arbeit. Doch aufbegehren gilt nicht. Die Menschenhändler reagieren. Was dann folgt, wird für die Mädchen zum Albtraum.
Sie werden in die Prostitution gezwungen. „Wir wurden geschlagen und sexuell missbraucht. Jeden Tag, während drei Wochen.“, erzählt Devakani emotionslos. „Wir konnten uns nicht wehren. Es war die Hölle“, sagt die 17-Jährige. Warum ihr schließlich einer der Aufpasser erlaubt hat, ihre Mutter anzurufen, kann sie sich nicht erklären.
Mutter wählt Notfallnummer der CSI-Partner
Plötzlich ging alles ganz schnell. Die Mutter kontaktierte die CSI-Partner auf einer Notfallnummer. Die Telefonnummer hatte sie sich im Rahmen einer „Speaking Tour“ notiert, einer Sensibilisierungskampagne in Schulen und Kirchen, die mit der Unterstützung von CSI organisiert wird.
Das CSI-Team rief die Polizei auf den Plan. „Gemeinsam konnten wir die beiden Mädchen retten, Gott sei Dank!“, so CSI-Partnerin Parul Singh, die nicht einfach von Befreiten, sondern von „Geretteten“ und „Überlebenden“ spricht.
Unendlich dankbar
Der Umstand, dass sich jemand um sie gesorgt und sie befreit hat, berührt Devakani und Bachni zutiefst: „Wir sind so dankbar, dass uns jemand gerettet hat und dass sich überhaupt jemand um uns gekümmert hat.“ Die beiden Mädchen werden künftig wieder zur Schule gehen. Im Dorf weiß niemand, was ihnen widerfahren ist.
Wie traumatisch die Folgen sind, spürt man daran, dass sie bis heute nicht ohne Begleitung aus dem Haus gehen und ihr Gesicht verhüllen. Ihr Weg zurück in die Normalität ist nicht leicht, doch CSI lässt die Mädchen bei der Rehabilitation nicht allein.
Pro Jahr befreien die lokalen CSI-Mitarbeiter durchschnittlich 100 Opfer aus den Fängen des Menschenhandels.