Trotz grundsätzlich geltender Religionsfreiheit werden Christen in Indien zusehends bedroht und attackiert. Die indische CSI-Partnerin und Anwältin Kumar setzt sich juristisch für christliche Opfer von religiösen Übergriffen ein.
Frau Kumar, wie zeigt sich, dass die Religionsfreiheit in Indien unter Druck ist?
Gewaltsame Übergriffe gegen religiöse Minderheiten haben deutlich zugenommen. Laut einem Bericht des Innenministeriums gab es in den letzten drei Jahren über 2000 Angriffe auf religiöse Minderheiten, bei denen physische Gewalt angewendet wurde. Die Dunkelziffer dürfte bedeutend höher sein, denn viele Opfer wagen es nicht, die Polizei zu verständigen, denn oft ist die Polizei befangen und schützt die Täter. Die Opfer werden im Stich gelassen. In den 200 Übergriffen auf Christen, die wir im Jahr 2017 registriert haben, nahm die Polizei nur in 25 Fällen Ermittlungen auf. Das ist schockierend!
In welchen Teilen Indiens werden Christen besonders unterdrückt?
Prekär ist die Lage vor allem in Madhya Pradesh, Chhattisgrath, Jharkhand sowie Tamil Nadu im Süden und Uttar Pradesh, dem bevölkerungsreichsten Staat in Indien. In weiten Landesteilen werden Christen bedroht, zusammengeschlagen und vertrieben. Viele sind total verängstigt. Zudem könnte es jederzeit zu einem Gewaltausbruch wie damals in Kandhamal kommen. Im Distrikt Kandhamal, wo vor über neun Jahren ein Massaker gegen Christen mit über 100 Todesopfern und mehr als 50.000 Vertriebenen verübt wurde, hat sich die Situation deutlich verbessert.
Gewaltsame Übergriffe passen gar nicht in das Bild, das viele Westeuropäer vom Hinduismus haben.
Viele Europäer erachten den Hinduismus als eine friedliche, spirituelle Religion. Ihnen dürfte weniger bekannt sein, dass es einen politischen und nationalistischen Hinduismus gibt, der große Gefahren birgt.
In diesem Zusammenhang ist oft von Hindutva die Rede, was ist damit gemeint?
Der Begriff Hindutva wurde von der einflussreichen Hinduextremisten-Organisation RSS geprägt. Hindutva ist eine politische Philosophie, die definiert, wer Hindu und Inder ist. Demnach gehören jene Menschen zu den wahren Indern, die Indien als ihr heiliges Land und Vaterland haben. Das sind Menschen, die einer der in Indien entstandenen Religionen angehören, also dem Hinduismus, Buddhismus oder Sikkhismus. Als Christin kann ich gemäß der Hindutva keine richtige Inderin sein.
Bekannt ist auch die Forderung, dass Indien bis 2021 rein hinduistisch sein soll.
Diese Forderung muss ernst genommen werden, weil sie von vielen einflussreichen Politikern kommt. Die religiösen Minderheiten sollen unter Druck gesetzt werden, indem ihnen alle Rechte genommen werden. Gerade die neue Regierung von Uttar Pradesh arbeitet stark auf dieses Ziel hin. Wir hoffen deshalb, dass die Wahlen von 2019 zu einer Entspannung führen werden. Zugleich möchte ich festhalten, dass die meisten Hindus nach meinen Erfahrungen gegenüber Andersgläubigen tolerant sind. Es ist nur eine kleine, aber einflussreiche Minderheit, welche die Hindutva propagiert.
Sie leiten ein Team von Juristen, das sich beratend und auch vor Gericht landesweit für benachteiligte und bedrohte Christen einsetzt. Wie erfolgreich ist Ihre Arbeit, die auch von den Spendern von CSI getragen wird?
Unser Team unterhält ein Notfalltelefon, dessen Nummer bedrängte Christen seit 2015 mehr als 6000mal angerufen haben. Das Telefon ist 24 Stunden täglich besetzt. Christen fühlen sich dadurch sicher. Da ist immer jemand von uns, der ihnen schnell und kurzfristig beratend zur Seite steht. Auch vor Gericht sind wir ziemlich erfolgreich. Wichtig ist, dass wir nie aufgeben und immer unser Bestes geben, selbst wenn wir einige Verfahren verlieren. Bei vielen Fällen, die wir vertreten, können wir die verfassungsrechtlich geschützte Religionsfreiheit als Argument ins Feld führen. Darauf müssen die Richter eingehen.
Haben sie selbst manchmal auch Angst?
Natürlich müssen wir unsere Arbeit mit der nötigen Vorsicht angehen. Doch wir müssen auch für unseren christlichen Glauben einstehen. Bisher wurde ich nur einmal bedroht, kurioserweise aber nicht in Indien, sondern in der Schweiz, als ich in Genf an einer Veranstaltung über religiöse Minderheiten in Asien sprach. Nach meinem Auftritt kam ein in der Schweiz lebender Inder auf mich zu und meinte, dass es für mich schwierig werde, nach Indien zurückzukehren. Doch meine Mitarbeiter vor Ort, die direkten Kontakt zu den bedrängten Christen haben, sind besonders vorsichtig. Nachts sind sie nie unterwegs.
Was motiviert sie persönlich in Ihrer anspruchsvollen Arbeit als CSI-Partnerin?
Ich halte mich an Gottes Vorsehung fest, dass er für uns sorgt und uns schützt, damit wir unseren Glauben leben und uns auch für die leidenden Christen in Indien einsetzen können.
Mit Ihrer Spende helfen Sie verfolgten Christen in Indien, ihre Rechte vor Gericht zu verteidigen und unterstützen sie in Verfolgungssituationen.