Gibt es in Pakistan nicht auch Menschen, die die christliche Gemeinschaft verteidigen? Diese Frage wird CSI oft gestellt, wenn wir über die Folgen der diskriminierenden Blasphemie-Gesetze, über die Misshandlung von christlichen Arbeitssklaven und die Terroranschläge auf Kirchen berichten.
Diese mutigen Menschen gibt es. Beispiele sind der Muslim Salman Taseer, der im Januar 2011 ermordete Gouverneur der Provinz Punjab, und Shahbaz Bhatti, der christliche Minister für religiöse Minderheiten in der Regierung von Islamabad. Er wurde vor fünf Jahren, am 2. März 2011, von Islamisten ermordet. «Für Christus will ich leben und für ihn will ich sterben», hatte Bhatti wohl in Vorahnung seines Todes einmal gesagt.
Es gibt diese Menschen auch heute noch, und ihre Zahl wächst. Beispiele für einen Aufstand gegen Ungerechtigkeit in Pakistan sind die christlichen Aktivisten Sohail Johnson und Aslam Pervaiz Sohatra, aber auch die muslimische Anwältin Asma Jahangir.
«Wir sind wie Brüder», sagt Sohail Johnson, «wir sind unzertrennlich». Er und Aslam hörten auch nach dem Mord an Shahbaz Bhatti nicht auf, sich rund um die Uhr für die Christen in ihrer Heimat einzusetzen. Sie gründeten die Organisation «Sharing Life Ministries Pakistan», die in unzähligen Fällen Samariterdienste leistete und im ganzen Land bekannt wurde. 2010 war es ihrer Arbeit zu verdanken, dass der Fall von Martha Bibi landesweit als Beispiel dafür bekannt wurde, wie Anklagen wegen Gotteslästerung missbraucht werden können. Damals stellte sich heraus, dass die Anschuldigung fabriziert war und dem Kläger nur dazu dienen sollte, seine Geldschulden loszuwerden, die aus einem Kaufvertrag mit der Christin und ihrem Mann stammten.
Mord an zwölfjährige Christin bekannt gemacht
Der wohl bewegendste Fall, den Sohail und Aslam bearbeiteten, ist jener der zwölfjährigen Christin Shazia Masih, die Anfang 2010 von ihrem Chef zu Tode gequält worden war. Er hatte das Kind zuvor monatelang unter sklavereiähnlichen Bedingungen in seinem Haushalt gehalten, geschlagen, missbraucht und schliesslich eine Treppe hinuntergestossen. Die Proteste der Menschenrechtler entfachten einen Sturm der Entrüstung in der Bevölkerung von ganz Pakistan und weltweit. Der Täter war niemand Geringerer als Chaudry Naeem, ehemaliger Präsident der «Lahore Bar Association», ein exklusiver Verein von einflussreichen Anwälten, dem eine führende Rolle bei der Staatsgründung Pakistans zugeschrieben wird.
Sohail und Aslam verlangten damals Gerechtigkeit und bahrten das getötete Mädchen vor dem Parlamentsgebäude in Lahore auf. Hunderte von Christen nahmen an der Demonstration teil, die schliesslich zur Verhaftung des Täters führte. Der Premierminister der Provinz Punjab, Shahbaz Sharif, sah sich damals genötigt, den Eltern der Ermordeten persönlich seine Kondolenz zu überbringen. Der Täter konnte seine Verurteilung später durch eine Geldzahlung an die Familie des Opfers abwenden. Zuvor waren immer neue Autopsie-Berichte vorgelegt worden, die beweisen sollten, dass das Kind eines natürlichen Todes gestorben sei.
Falscher Verdacht zwang ihn zur Flucht
Nach jahrelanger gefährlicher und aufopferungsvoller Arbeit ihrer Organisation «Sharing Life Ministries Pakistan» teilen die beiden Menschenrechtler jetzt das Schicksal zahlloser pakistanischer Christen. Nach dem Anschlag auf zwei Kirchen im Stadtteil Youhanabad von Lahore am 15. März 2015 (CSI berichtete und hilft vielen Opfern) wurden sie zusammen mit mehr als 100 weiteren Christen beschuldigt, an der Ermordung von zwei Muslimen beteiligt gewesen zu sein, die unmittelbar nach den Attentaten von einer aufgebrachten Menschenmenge in der Nähe der Kirchen gelyncht worden waren.
Offenbar benutzten die Behörden das Drama nach den Anschlägen gezielt, um christliche Aktivisten aus dem Verkehr zu ziehen. Aslam sitzt seit einem Jahr in einem pakistanischen Gefängnis, während Sohail und seine Familie ins Ausland flüchten konnten.
Mit Sohail und Aslam sind nach Shahbaz Bhatti zwei weitere bedeutende Vertreter der pakistanischen Christenheit zum Schweigen gebracht worden. Die Anwältin Asma Jahangir kämpft seit Frühling 2015 um die Freiheit für Aslam, der Vater von drei kleinen Kindern ist. Seine Familie im Punjab weiss nicht, woher sie das Geld für Miete und Lebenshaltungskosten nehmen soll, und leidet grosse Not.
Derweil versuchen Sohail und seine Familie, sich im Exil über Wasser zu halten. «Ich liebe mein Land und die Menschen und will wenn möglich zurückkehren», sagte er im Gespräch mit CSI im Januar 2016.
Anerzogene Verachtung
Wir fragen ihn, warum es so schwierig ist, in Pakistan Frieden zu stiften. «Menschen sind, was sie lernen», antwortet er. «Einige lernen Klavierspielen, Reiten oder Lesen. Bei uns wird die Mehrheit zu Muslimen erzogen, die Nichtmuslime und Frauen als minderwertig ansehen. Es ist wie eine Fehlprogrammierung im Gehirn: Sie rückgängig zu machen ist fast so schwierig, wie aus einem geübten Klavierspieler wieder einen Anfänger zu machen, oder eine Leseratte in einen Analphabeten zu verwandeln. Und doch bin ich zuversichtlich, dass mit Gottes Hilfe scheinbar Unmögliches erreicht werden kann».
Gunnar Wiebalck, Projektleiter Pakistan