Tausende Familien vor Boko Haram geflohen

Die Befreiung von 82 Mädchen aus Chibok ist ein Hoffnungsschimmer für die konfliktgeladene Situation in Nigeria. CSI unterstützt in Nigeria seit Jahren Menschen, die vor Boko Haram fliehen mussten.

Es ist wohl der international bekannteste Terrorakt der Islamisten von Boko Haram: Am 14. April 2014 stürmte die Dschihadistenmiliz eine Mädchenschule in der abgelegenen Stadt Chibok im Nordosten Nigerias. 76 Schülerinnen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren wurden verschleppt. Noch während der Entführung gelang es 57 Mädchen, zu fliehen.

Die mehrheitlich christlichen Schülerinnen wurden zu einem Sinnbild für den Terror von Boko Haram. Viele Prominente setzten sich unter dem Slogan «BringBackOurGirls» für ihre Freilassung ein, darunter auch Michelle Obama, die ehemalige First Lady der USA.

Im Vorjahr konnten 20 Mädchen befreit werden. Nach monatelangen Verhandlungen mit der nigerianischen Regierung ließ Boko Haram nun am 7. Mai 2017 weitere 82 Mädchen frei. Im Gegenzug wurden vier Boko-Haram-Kämpfer freigelassen. Die Befreiung kam auch dank der Vermittlung internationaler NGOs und des schweizerischen Außendepartements zustande, wie die nigerianische Regierung unter Präsident Muhammadu Buhari in einer Medienmitteilung bestätigt.

Grenzenlose Erleichterung

Eltern der befreiten Mädchen, die jahrelang die Ungewissheit über den Zustand ihrer entführten Tochter ertragen mussten, sind natürlich überglücklich. «Die Nachricht über die Befreiung ist das Beste, was uns passieren konnte. Wir haben so lange auf diesen Tag gewartet. Wir hoffen nun, dass auch die anderen Mädchen befreit werden», so Pastor Enoch Mark, Vater von zwei befreiten Töchtern.

Auch Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen äußern diese Hoffnung: «Es ist das dringende Ziel, dass alle entführten Mädchen befreit werden. Wir dürfen niemanden vergessen.» Die UNO-Experten fordern von der nigerianischen Regierung, alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit die verbliebenen 115 Geiseln befreit werden.

Über die Befreiung der 82 Mädchen ist die ganze Welt erleichtert, so auch Kardinal John Olorunfemi Onaiyekan, Erzbischof von Abuja. «Wir danken Gott dafür, dass diese Mädchen wieder zu ihren Familien zurückkehren konnten.» Zugleich fragt sich Onaiyekan, warum die Befreiung nicht schon früher geschah: «In all diesen Jahren habe ich die Regierung immer wieder mit Nachdruck gebeten, sich für die Freilassung der Mädchen einzusetzen. Die Regierung antwortete stets, dass man mit Terroristen nicht verhandeln und sie gegen Gefangene austauschen könne. Doch genau das ist am Ende geschehen.»

Der Terror der Dschihadisten von Boko Haram hat bis heute mehr als 20‘000 Menschenleben gefordert.

Spitze des Eisbergs

Die Entführung der Chibok-Mädchen ist, nur die Spitze des Eisbergs. Noch immer werden unzählige Menschen, Christen und moderate Muslime, von Boko Haram gefangen gehalten. Tausende Nigerianer, von denen internationale Medien keine Kenntnis nehmen, mussten aus ihren Dörfern im Nordosten Nigerias flüchten. Wenn sie nicht bei Verwandten oder Bekannten Unterschlupf finden konnten, leben sie in Flüchtlingscamps in Großstädten wie Maiduguri, Jos oder Yola.

Bei den regelmäßigen Projektreisen nach Nigeria begegnet CSI-Projektleiter Franco Majok vielen Menschen, vorwiegend Christen, die vor Boko Haram in Flüchtlingslager geflohen sind. Sie berichten über schauderhafte Vorfälle, Übergriffe, Tötungen, Geiselnahmen oder auch, wie sie sich wochen- und zum Teil gar monatelang vor Boko Haram verstecken mussten, bevor sie an einen sicheren Ort flüchten konnten. Nicht selten werden bei diesen Überfällen auch Familien auseinander gerissen. So lebt Mary Daniel aus Chinene seit dem Überfall vor zwei Jahren ohne ihren Ehemann und einem Kind mit dem Rest der Familie im Flüchtlingscamp der «Christian Association of Nigeria (CAN)» in Maiduguri.

CSI unterstützt Boko-Haram-Geflohene in Flüchtlingslagern von Maiduguri unter anderem mit Lebensmittelpaketen und Medikamenten. Ebenso leistet CSI finanzielle Unterstützung für ein christliches Flüchtlingslager in Jos, wo schon weit über 5000 von Boko Haram vertriebene Christen gewohnt haben. In der südnigerianischen Stadt Enugu leben ebenfalls Menschen, die den brutalen Dschihadisten entkommen sind. Über 100 Kinder können dank der Hilfe von CSI die Schule besuchen. Zudem erhalten erwachsene Flüchtlinge eine Starthilfe für ein Kleingewerbe.

Die Terrororganisation Boko Haram ist aber nicht nur für die zahlreichen Überfälle auf Dörfer im Nordosten Nigerias berüchtigt, sondern begeht auch immer wieder Bombenattentate. Eines davon betraf die St. Theresa-Kirche in Madalla im Zentrum des Landes. CSI hilft Überlebenden dieses Anschlags mit Lebensmitteln und Kleidern. Zudem werden einige Menschen, die durch den Anschlag in eine besondere Notlage gerieten, in ihrem Kleingewerbe unterstützt.

 

Quellen: ap, un, wwm, fides, csi

Reto Baliarda