Vicken Euljekjian – als Armenier entführt und inhaftiert

Der libanesisch-armenische Christ Vicken Euljekjian wurde am 10. November 2020 von aserbaidschanischen Truppen aus Bergkarabach entführt und zu 20 Jahren Haft verurteilt. Die im Dezember 2023 angekündigte Freilassung kam nicht zustande. Unter der Trennung leidet besonders Vickens Frau Linda, die im Libanon lebt. CSI setzt sich für die Befreiung aller armenischen Geiseln ein.

Einen Tag nach dem Waffenstillstand des zweiten Karabach-Kriegs im Herbst 2020 geriet der im Libanon geborene Armenier Vicken (43) in aserbaidschanische Haft. Nach Angaben seiner Frau Linda befindet er sich in einem sehr schlechten körperlichen und psychischen Zustand. 

2023 kündigte Aserbaidschan einen Gefangenenaustausch an: Für die Freilassung von zwei aserbaidschanischen Gefangenen würde man im Gegenzug 32 armenische Geiseln, ungefähr ein Viertel aller Entführten, in die Freiheit entlassen. 

Bittere Enttäuschung

Familie Euljekjian hatte Grund zur Freude, denn Ehemann und Vater Vicken stand auf der Liste der Gefangenen, die freigelassen werden sollten.

Als der Gefangenenaustausch am 13. Dezember 2023 stattfand, war Vicken jedoch nirgendwo zu finden. Aus unerklärlichen Gründen hat ihn die aserbaidschanische Regierung im letzten Moment zurückbehalten.

Die Nachricht war ein schwerer Schlag für Vickens Frau Linda und ihre beiden Kinder, die auch im Libanon leben. „Unsere Herzen sind zerrissen“, schrieb Linda in einem Beitrag auf X. „Wir beten zu Gott, dass er mit uns ist.“ 

Spurlos verschwunden  

Im November 2023 entschloss sich Linda zu einem Interview mit Libertas, einem internationalen Think Tank, der sich für die Freilassung von Armeniern einsetzt. Im Interview berichtete sie, dass Vicken in der libanesischen Hauptstadt Beirut geboren wurde. Vor dem Völkermord an den Armeniern zwischen 1915 bis 1923 war seine Familie in den Libanon geflohen.

Aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage verließ Vicken 2017 den Libanon, um sich in Armenien niederzulassen. Dort begann er, zunächst als Taxifahrer zu arbeiten. Später eröffnete er zusammen mit einer libanesisch-armenischen Geschäftspartnerin ein Restaurant. Doch wegen der Covid-Krise im Jahr 2020 mussten die beiden das Geschäft wieder beenden.

„Die Situation wurde immer prekärer“, erinnerte sich Linda. „Zu dieser Zeit bot die Regierung von Bergkarabach jedem, der aus Armenien dorthin umziehen wollte, eine Unterkunft an. Viken fand eine Wohnung in der Provinz Schuschi. Wir sollten 2020 zu ihm kommen, aber dann brach der Krieg aus, und Vicken kehrte nach Eriwan (Armeniens Hauptstadt) zurück.“ 

Nach dem Waffenstillstand im November 2020 fuhr Vicken mit seiner Geschäftspartnerin nochmal nach Schuschi, um manche Habseligkeiten abzuholen. Auf dem Weg dorthin wurde ihr Auto von aserbaidschanischen Soldaten angehalten. Von da an verlieren sich Vickens Spuren.  

„Wir haben einen Monat lang nichts von ihm gehört“, sagte Linda. „Dann erfuhr ich aus dem libanesischen Fernsehen, dass Vicken lebt und im Gobustan-Gefängnis in Aserbaidschans Hauptstadt Baku gefangen gehalten wird. Nach weiteren acht langen Monaten ohne Nachricht erhielt ich über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) einen Brief von meinem Mann.“ 

Erzwungenes Geständnis  

Vickens Geschäftspartnerin wurde von den aserbaidschanischen Behörden zur Kooperation gezwungen. In einem „Geständnis“ gab sie an, dass Vicken während des Krieges als Söldner bezahlt worden sei. Später erklärte diese Vertraute Vickens, dass ihr Geständnis unter Folter erpresst worden sei und in keinster Weise der Wahrheit entspreche.   

Doch ihre Aussage verkomplizierte den Fall für Vickens Verteidiger vor Gericht. Vicken wurde aufgrund der Falschaussage seiner Vertrauten zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.  

„Ich erkenne meinen Mann nicht wieder“  

Linda erhält jeden Monat einen Brief von ihrem Mann, der vom IKRK zugestellt wird. Einmal im Monat darf sie mit ihm telefonieren, das Gespräch wird streng überwacht.  

Durch die Briefe und Gespräche erfährt Linda, dass Vicken sehr schlecht ernährt wird und mehr als 15 kg Körpergewicht verloren hat. Zudem leidet er unter Gedächtnisverlust. Linda ist traurig: „Ich beobachte, wie sich sein Zustand zunehmend verschlechtert. Medizinische Versorgung wird Vicken verweigert. Ich erkenne meinen Mann nicht wieder.“

Familie hält zusammen

Linda selbst leidet an Depressionen, chronischen Schmerzen und Atemproblemen. Inzwischen ist sie arbeitsunfähig.

Die 20jährige Tochter des Paares hat ihr Studium abgebrochen, um die Familie zu unterstützen. Sowohl sie als auch ihr älterer Bruder haben mit der Abwesenheit ihres Vaters zu kämpfen. Aber sie wollen nicht aufgeben. Die ganze Familie hat Vicken versprochen, sich bis zum letzten Atemzug für seine Freilassung einzusetzen.

CSI setzt sich politisch für die Freilassung von Vicken Euljeckjian und anderer Armenier ein, die in Aserbaidschan festgehalten werden. Um die Familie von Vicken und Linda zu unterstützen, wurde auch eine Petition gestartet, die CSI hiermit empfiehlt.