Traditionell wird im Nahen Osten die Altenpflege den Familien überlassen. Doch seit Kriegsausbruch 2011 haben junge Menschen Syrien weit häufiger verlassen als ihre älteren Verwandten, die fest in ihrer Heimat verwurzelt sind und nicht ins Ausland fliehen wollten. Als Folge davon sind sie im beschwerlichen Alltag vielfach auf sich allein gestellt und drohen, wegen fehlender Unterstützung durch die jüngere Generation, zu verwahrlosen.

Ordensfrauen – Engel der Betagten

Die Ordensgemeinschaft der syrischen CSI-Partnerin Schwester Marie-Rose kommt mit diesem völlig neuen Phänomen immer wieder in Berührung. „Vor kurzem brachten wir Suliman Karouh, einem alten Mann, der allein in einem völlig vermüllten Haus wohnte, eine Mahlzeit zu einem großen Festtag“, erzählt Schwester Fadia mit bewegter Stimme, sie ist eine junge Mitarbeiterin von Schwester Marie-Rose. „Wir fanden den armen, einsamen Mann am Boden liegend und riefen Ärzte zu Hilfe, doch es war zu spät. Suliman verstarb im Krankenhaus.“

Glücklicher war das Zusammentreffen mit Naila Esber. „Die gebrechliche Christin fiel bei Hausarbeiten und verletzte sich schwer“, berichtet Schwester Fadia. „Naila hatte keine Verwandten, die sich um sie kümmerten oder sie regelmäßig besuchten. Ein Muslim fand die alte Dame schließlich und brachte sie zu einem Arzt, aber es war kein Geld für die Behandlung aufzubringen. Nachdem wir von Naila Esbers Fall erfuhren, brachten unsere Schwestern sie in das Krankenhaus und wir kümmern uns nun um sie.“

Das Schicksal dieser vernachlässigten Menschen veranlasste Schwester Marie-Rose und ihre Mitschwestern zum Handeln. Schon im Frühjahr 2020 starteten sie ein erstes Projekt, um bedürftige Seniorinnen und Senioren aus der Provinz Tartus zu betreuen. „Wir versorgen etwa 150 alte Menschen in ihren Häusern mit vier Mahlzeiten pro Woche“, so eine junge Ordensfrau. Alte Menschen, die beispielsweise an Krebs erkrankt sind oder Dialyse benötigen, erhalten medizinische Hilfe durch ein Netzwerk von Ärzten, das mit den Ordensfrauen arbeitet. Zudem organisiert das Team von Schwester Marie-Rose Aktivitäten zur Erholung der Senioren – denn auch gemeinsames Singen, Essen und Lachen macht das Leben leichter. Ende August 2021 rief Schwester Marie-Rose bei Damaskus ein ähnliches Projekt ins Leben.

Altenheim in Aleppo

Auch in der syrisch-orthodoxen Erzdiözese von Aleppo ist das Altwerden in Würde ein wichtiges Thema. Als der damalige Erzbischof von Aleppo 2009 im Stadtviertel Suryan al-Jadid das Altersheim „Dar al-Rahma“ (zu Deutsch: Haus der Gnade) für alte Menschen ohne Verwandte eröffnete, war es eine der wenigen Einrichtungen dieser Art im ganzen Land. Nicht nur Pflege, sondern auch viele Aktivitäten und Besuche von Jugendgruppen machten das Heim zu etwas Besonderem. Doch „das Gebäude wurde im Oktober 2012 schwer beschädigt, als zwei Autobomben in der Nähe explodierten“, erzählt Erzbischof Mor Boutros Kassis, Delegierter des Patriarchen für die Erzdiözese Aleppo und Umgebung. „Die Bewohner und das Personal wurden kurzerhand in die Residenz des Erzbischofs Mor Gregorios Yohanna Ibrahim verlegt, der leider wenige Monate später entführt wurde und bis heute unauffindbar ist.

Doch das Engagement der syrisch-orthodoxen Erzdiözese für Betagte ließ auch nach der Entführung des Erzbischofs nie nach. Man ist sich bewusst, dass die Kirchen verstärkt zum Wohlergehen der verlassenen alten Menschen beitragen und auch deren materielle Not lindern müssen.

Wiederaufbau

Da sich die Sicherheitslage in Syrien stabilisiert hat, konnten die CSI-Partner in Aleppo den Wiederaufbau von „Dar al-Rahma“ vor kurzem in Angriff nehmen, damit noch weitere Seniorinnen und Senioren dort die nötige Pflege erhalten. Nach der Fertigstellung wird das Heim etwa 50 Betagten Platz bieten. „Die Einweihung ist für nächstes Jahr geplant“, schließt Mor Boutros mit einem freundlichen Lächeln und dankt CSI-Deutschland für die Förderung dieses wichtigen Projektes.