Erdoğan in Berlin – roter Teppich für den Neo-Osmanismus?

Mit Bestürzung hat Christian Solidarity International (CSI) den Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan am 17. November in Berlin verfolgt. Die Einladung von Bundespräsident Steinmeier erfolgte in voller Kenntnis der Tatsache, dass sein Gast als autoritäres Staatsoberhaupt mit islamischer Überlegenheitssehnsucht gilt, das die Mörder der Hamas öffentlich als „Befreier“ und Israel als „terroristischen“ Staat bezeichnet.

Die protokollarischen Ehrungen für den türkischen Staatspräsidenten, der der Muslimbruderschaft nahesteht, konterkarieren die jüngsten Aussagen von Vizekanzler Habeck, wonach „Antisemitismus in keiner Gestalt zu tolerieren ist“.

Präsident Erdoğans islamistisch begründete anti-israelische Einstellung ist nur ein Aspekt des weitreichenden unheilvollen Verhaltens der türkischen Politik, das die deutsche Öffentlichkeit und ihre außenpolitischen Entscheidungsträger zutiefst beunruhigen sollte.

DNA der Muslimbruderschaft

Erdoğan orientiert sich ideologisch an den Lehren der Muslimbruderschaft und setzt diese im Rahmen eines osmanischen Weltbildes um. Er und seine Anhänger sehen die Türkei als Erbe des osmanischen Kalifats. Seine Mission ist dessen Wiederbelebung in Übereinstimmung mit den Realitäten der modernen Welt.

Bei Zweifeln an dieser Darstellung sollte man sich nur die Konfliktzonen in und um die Peripherie des alten osmanischen Reiches und dort die unheilvolle Rolle der heutigen Türkei vor Augen führen. Nur einen Tag, nachdem er von Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzler Scholz in Berlin empfangen wurde, machte Erdoğan selbst auf die Pläne der Türkei aufmerksam, als er drohend erklärte „Wer sagt: ‚Syrien, Irak, Karabach, Libyen, Bosnien und Jerusalem sind uns egal‘, der behindert entweder absichtlich oder unabsichtlich den großen Lauf der Türkei.“

Die Liste der Länder, auf die Erdoğan den „großen Lauf“ der Türkei bezieht, ist natürlich viel länger. Sie umfasst auch Armenien, Zypern und Deutschland selbst. In Bezug auf Deutschland stellten Journalisten und Sicherheitsbehörden längst fest, dass die Türkei die antijüdische und antichristliche Ideologie der Muslimbruderschaft in unserer Gesellschaft aktiv fördert.

Deutsche Politiker betonen regelmäßig, dass der Islam jetzt Teil Deutschlands sei. Das mag tatsächlich Realität sein. Für das Wohl Deutschlands und der gesamten Pan-Euro-Med-Zone ist es jedoch von entscheidender Bedeutung, dass der Islam, der von Deutschlands politischen Entscheidungsträgern als „Teil Deutschlands“ begrüßt wird, Erdoğans islamistische Ideologie und sein destabilisierendes neo-osmanisches Projekt für Europa und den Nahen Osten zurückweist.

Die neo-osmanische Achse und ihre Auswirkungen

CSI wies wiederholt auf die Rolle der sichtbargewordenen neo-osmanischen Achse aus Türkei und Aserbaidschan bei der jüngsten Eruption des Völkermords an den Armeniern in Bergkarabach hin. Bezeichnend ist dabei auch, dass Erdoğan ein vehementer Leugner des von den Osmanen begangenen Völkermords an den Armeniern ist.

„Es gilt jedoch keine Zeit zu verlieren, um Deutschlands Abhängigkeit von der Türkei Erdoğans zu beenden.“

Eine radikale Änderung der deutschen Politik gegenüber der unheilvollen Ideologie und Politik Erdoğans und gegenüber dessen neo-osmanischen Ambitionen ist nicht sofort zu erreichen. Aber die Gefahr ist zu groß, um in dieser sich schnell verändernden Welt die deutsche Politik einfach in gewohnten Bahnen laufen zu lassen.

Viel zu sehr hat sich die Bundesrepublik seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in die Abhängigkeit der aufstrebenden neo-osmanischen Macht begeben. Das gilt auch für die westlichen Verbündeten Deutschlands. Diese Abhängigkeit nimmt in dem Maße zu, wie die „Abkopplung“ von Russland und das „Derisking“ der Beziehungen zu China an Dynamik gewinnen.

Es gilt jedoch keine Zeit zu verlieren, um Deutschlands Abhängigkeit von der Türkei Erdoğans zu beenden.