Hongkong: Kardinal Joseph Zen angeklagt

Kardinal Joseph Zen (90), der frühere Bischof von Hongkong und furchtlose Verteidiger der Untergrundkirche in der Volksrepublik China, musste am 24. Mai 2022 vor einem Hongkonger Gericht erscheinen. Hongkongs Generalvikar Joseph Chan und Diplomaten aus mehreren EU-Ländern, darunter Deutschland, Frankreich, Schweden und Italien nahmen an der Anhörung teil. Zen wird vorgeworfen, den 612 Humanitarian Relief Fund, einen Verteidigungsfonds für Oppositionelle, nicht ordnungsgemäß als „Gesellschaft“ registriert zu haben.

Dies ist eine einfache administrative Zuwiderhandlung. Doch ursprünglich wurde Zen gemäß dem am 30. Juni 2020 inkraftgetretenen Gesetz für die nationale Sicherheit wegen „Verschwörung mit ausländischen Kräften“ verhaftet. Das Strafmaß hier wäre bis zu lebenslanger Haft. Zen und vier weitere Angeklagte plädierten bei der Anhörung vom 24. Mai auf nicht schuldig. Der Prozess wird am 19. September beginnen. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, sie habe „zehn Kisten mit Beweismaterial“ und „acht Stunden Videomaterial“, um ihre Anklage zu untermauern.

Kardinal Zen zu Besuch in den USA, Februar 2020

Zen war einer der Treuhänder des 612 Humanitarian Relief Fund. Der Fonds bezahlte politischen Gefangenen in Hongkong den Rechtsbeistand. Er wurde 2019 gegründet und im Oktober 2021 wieder aufgelöst, weil die Sicherheitskräfte die Herausgabe von Daten der Spender und Begünstigten verlangt hatten.

Kardinal Zen wurde bereits am 11. Mai 2022 gemeinsam mit zwei anderen Treuhändern des besagten Fonds festgenommen, der ehemaligen Oppositionsabgeordneten und Anwältin Margaret Ng und der Sängerin Denise Ho. Am Vortag wurde der Treuhänder Professor Hui Po Keung festgenommen, als er gerade ein Flugzeug nach Deutschland besteigen wollte. Die fünfte Treuhänderin, Cyd Ho Sau-lan, sitzt wegen Beteiligung an illegalen Versammlungen bereits im Gefängnis. Kardinal Zen wurde wenige Stunden nach der Verhaftung auf Kaution freigelassen.

Kardinal Zen warnte den Vatikan vor dem „Ausverkauf“ der Kirche in China.

Joseph Zens Verhaftung und Anklage setzt den Vatikan unter Druck, sich mit Chinas hartem Vorgehen gegen die bürgerlichen Freiheiten in Hongkong auseinanderzusetzen und wirft zugleich ein grelles Licht auf das vom Vatikan und der VR China geschlossene Geheimabkommen vom September 2018, das die Untergrundkirche Chinas dem Regime ausliefert. Gerade Kardinal Zen gilt als schärfster Kritiker des Geheimabkommens, das nach seinen Worten zum „Ausverkauf“ der Kirche in China führe.

 

 

Titelfoto: Alfredoko / Wikimedia